Containerknappheit: Momentan keine Besserung in Sicht

Project44 hat die Gründe für Verzögerungen in globalen Lieferketten analysiert.

Ein Ende der Containerknappheit ist einer Analyse von Project44 zufolge vorerst nicht in Sicht. (Symbolbild: Tiero_M/Fotolia)
Ein Ende der Containerknappheit ist einer Analyse von Project44 zufolge vorerst nicht in Sicht. (Symbolbild: Tiero_M/Fotolia)
Sandra Lehmann

Globale Lieferketten sahen sich in diesem Jahr mit schwerwiegenden Disruptionen konfrontiert – und die Überlastung der Häfen ist nur eine davon. Weitere Gründe für Lieferverzögerungen und Unterbrechungen waren Störungen im Schiffsfahrplan mit einem Anstieg der Container-Rollover-Rate von bis zu 45 Prozent, längere Transitzeiten sowie die Zunahme von Blank Sailings. Diese Faktoren hat Project44, eine Plattform für Container-Visibilität, nachverfolgt und analysiert. Das geht aus einer Pressemeldung des Unternehmens vom 17. November hervor.

„Die aktuellen Störungen entlang globaler Lieferketten werden primär den überlasteten Häfen zur Last gelegt. Wir beobachten jedoch korrelierende Faktoren, die diese beispiellose globale Krise ebenfalls beeinflussen“, sagt Josh Brazil, VP of Data Insights bei Project44. „Mit Blick auf die zukünftigen Blank-Sailing-Pläne ist momentan keine Besserung in Sicht. Wir erwarten erst nach dem chinesischen Neujahrsfest eine Entspannung der Lage, da China dann für etwa zwei Wochen geschlossen wird. Hinzu kommt, dass Mitte 2022 voraussichtlich 60.000 bis 70.000 neue Container in Betrieb genommen werden. Und mit vielen Schiffsneubestellungen ist erst Mitte bis Ende 2023 zu rechnen.“

Verzögerungen in der Containerabfertigung in den großen internationalen Umschlaghäfen sowie die Zunahme der Rollover-Rate von Containern sorgten dafür, dass der gesamte globale Containerverkehr beeinträchtigt werde.

„Häfen waren nie als Lagerplatz gedacht. In den meisten Fällen betrug der Durchschnittsaufenthalt eines Umschlagcontainers maximal fünf Tage“, so Brazil.

Eine von Project44 durchgeführte Datenanalyse zum Containerumschlag der vergangenen drei Jahre veranschaulicht die Container-Rollover-Raten der großen Häfen zwischen 2019 und 2021.

Folgende Ergebnisse sind ersichtlich:

  • 2021 verzeichnet Port Klang eine Rollover-Rate von mehr als 58,45 Prozent – ein Anstieg von 37,94 Prozent im Vergleich zu 2020.
  • In Shanghai liegt 2021 die Container-Rollover-Rate bei 38,66 Prozent – 45,22 Prozent mehr als im Vorjahr.
  • Algeciras, Jebel Ali, Pusan, Tanjung Pelepas, Hong Kong und Singapur verzeichnen 2021 eine höhere Rollover-Rate als 2020. Dennoch war die prozentuale Veränderung geringer als zwischen 2019 und 2020.
  • Auf europäischer Seite stieg in Rotterdam der Rollover von 38,95 Prozent 2020 auf 51 Prozent in diesem Jahr 2021. Das entspricht einer Steigerung von 30,94 Prozent, verglichen mit einer Veränderung von 7,42 Prozent zwischen 2019 und 2020.

„Die Zunahme der Rollover-Rate an den wichtigen globalen Umschlaghäfen ist ein besorgniserregendes Zeichen für die nachlassende Terminzuverlässigkeit“, sagt Josh Brazil. „Dies hat eine anhaltende Unsicherheit in der Zeitplanung sowie Verzögerungen und stetige Verlängerungen der Frachtlieferzeiten zur Folge.“

Den Daten von Project44 zufolge sind auch die Container-Transitzeiten auf den Hauptrouten zwischen China und der Westküste Nordamerikas sowie von China nach Europa zwischen 2019 und 2021 drastisch angestiegen. In dieser Analyse umfasst die Transitzeit den gesamten Zeitraum von der Verladung des Containers am Verladehafen (Port of Load (PoL)) bis zum Erreichen des Entladehafens (Port of Discharge (PoD).

  • Beim Vergleich der Transitzeiten der Routen von den wichtigsten chinesischen Häfen an die Westküstenhäfen Nordamerikas verzeichnet Yantian die größte prozentuale Veränderung der Transitzeiten. Im Vergleich zu 2020 sind die Transitzeiten um 42,11 Prozent gestiegen. In Ningbo wurde mit 27,78 Prozent die geringste Verlängerung registriert.
  • Im Vergleich zu 2019 ist 2021 ein genereller Anstieg der Transitzeiten zu beobachten. Alle aufgeführten Häfen verbuchen eine Zunahme von mehr als 40 Prozent. Dies strapaziert die bereits überlastete Lieferkette zusätzlich.

Blank Sailings, also das Auslassen geplanter Häfen, zählen zu den weiteren Faktoren, die den Container-Rollover beeinträchtigen. Josh Brazil sagt hierzu:

„Blank Sailing führt zu Störungen im Netzwerk. Die Menge der Container, die an Umschlaghäfen auf ‚Sweeper-Schiffen‘ liegen, stört das globale Gleichgewicht.“

Die von Project44 zusammengestellten Daten zeigen, dass die Zahl der Containerschiffe, die geplante Hafenanläufe auslassen, zunimmt. Hunderttausende Container und mehrere Millionen Sendungen seien verspätet. Dies belaste nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Containerterminals und deren Personal.

  • Der malaysische Hafen Tanjung Pelepas verzeichnet 2021 die höchste Anzahl von Blank Sailings. Mit 31 konnte die Zahl des Vorjahres (35) zwar leicht gesenkt werden, trotzdem ließen im Durchschnitt drei Schiffe im Monat den Hafen aus. Den größten Anstieg von Blank Sailings verzeichnete jedoch Port Klang. Im selben Dienstleistungsgebiet sei ihre Zahl von durchschnittlich 1,25 im Jahr 2020 auf 13,5 im Jahr 2021 gestiegen – eine Zunahme von 980 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Project44 hat nach Eigenangaben die Fahrpläne der Reedereien analysiert. Es ist damit zu rechnen, dass sich der Blank-Sailing-Trend im November und Dezember 2021 fortsetzen wird. Auf manchen Routen werde mit bis zu 50 Blank Sailings gerechnet.

„Blank Sailings haben größere Auswirkungen auf Zubringerservices sowie kleinere Häfen und Märkte, die von Natur aus schwer zu bedienen sind, beispielsweise der Irak und die indonesischen Außenhäfen. Die Exportmärkte in den USA und Europa erlahmen, da den Reedereien die Möglichkeit fehlt, leere Container zurück nach Asien zu verschiffen“, so Brazil. „Wir beobachten, dass Redereien nach Möglichkeiten suchen, zwei bis drei zusätzliche Containerschiffe in den Ost-West-Verkehr zu integrieren. Die Verlagerung von leeren Containern ist wirtschaftlicher, als Schiffe für den Export zu nutzen, da viele dieser Exporte im Niedrigpreissektor liegen und die Ausrüstung binden“, fügt Brazil hinzu.