Conference Days: Wie KI Transport und Logistik weiterbringt

Eine von LOGISTIK HEUTE-Chefredakteur Matthias Pieringer moderierte Diskussionsrunde  nahm Potenziale der Technologie in den Fokus.

Während in der Intralogistik KI-Technologien bereits breit zur Anwendung kommen, sieht das im Straßengüterverkehr anders aus. (Foto: RS-Studios / AdobeStock)
Während in der Intralogistik KI-Technologien bereits breit zur Anwendung kommen, sieht das im Straßengüterverkehr anders aus. (Foto: RS-Studios / AdobeStock)
Therese Meitinger

Wie lassen sich Lkw-Leerfahrten vermeiden, repetitive Aufgaben vermeiden und Container zielgerichtet durch Terminals navigieren? Mithilfe künstlicher Intelligenz – so die einhellige Meinung von Martin Friedrich (Fraunhofer IML), Christian Greinert (HHLA) und Andreas Karanas (Carrypicker). In der virtuellen Diskussionsrunde „Künstliche Intelligenz: Potenziale in Transport und Logistik heben“ tauschten sich die Referenten am 23. April über Ansätze, Projekte und Learnings im Umgang mit KI- und Machine Learning-Technologien aus. Matthias Pieringer (LOGISTIK HEUTE) moderierte die Veranstaltung, die im Rahmen der vom HUSS-VERLAG initiierten Conference Days 2021 über die Bühne ging.

Den Anfang machten dabei Impulsvorträge der drei Teilnehmer. So berichtete Martin Friedrich, Senior Scientist der Abteilung Verkehrslogistik am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML), dass die Logistik für den Durchbruch von KI-Technologien geradezu prädestiniert sei: Hoher Effizienz- und Wettbewerbsdruck treffe hier auf eine gute Datenbasis und ausgeprägte technische Vorkenntnisse.  

„Im Vergleich zu anderen Branchen ist die Logistik in Sachen künstliche Intelligenz recht weit. Viele Unternehmen haben das Internet of Things vorangetrieben oder wissen, wie sie mit mathematischen Algorithmen arbeiten können“, erläuterte Friedrich.

Anwendungsfelder sieht er vor allem bei repetitiven Aufgaben und der Analyse großer Datenmengen – sowie perspektivisch auch im Autonomen Fahren, wo die technischen Voraussetzungen in allen Verkehrsträgern bereits weit fortgeschritten seien. In der Intralogistik sei die autonome Steuerung bei Flurförderzeugen aufgrund der geringen gesetzlichen Regelungen in einigen bereits Realität, so Friedrich. Als Beispiel nannte er den „LoadRunner“, einen am Fraunhofer IML entwickelten FTS-Schwarm mit autonomer, dezentraler Steuerung.

Container effizienter stapeln und routen

Christian Greinert, Projektingenieur / Terminalentwicklung der HHLA Container Burchardkai GmbH, berichtete von der „Nutzung von KI in der Terminalsteuerung“. Am Hamburger Containerterminal kommt ihm zufolge bereits seit einiger Zeit ein integriertes Terminalsteuerungssystem (TOS) mit einem hohen Automatisierungsgrad zum Einsatz. Doch die Datenqualität, vor allem beim unbekannten Import beim Löschen von Großcontainerschiffen, bremste die Lösung aus.  

„Was nutzt ein hochentwickeltes TOS, wenn es nicht gefüttert werden kann?“, schilderte Greinert die Ausgangslage. „Rund 50 Prozent aller Löscher blieben ohne Auslieferzeitpunkt, etwa zehn Prozent ohne Ausliefer-Verkehrsträger.“

Um diese Container künftig bestmöglich stapeln und routen zu können, entwickelte die HHLA zusammen mit dem IT-Anbieter Inform eine KI-Lösung, die die Verweildauer nicht mehr anhand starr definierter Werte für jeden Verkehrsträger ermittelt. Mittels eines Machine-Learning-Moduls wird nun bei Anlieferung für jeden Vollcontainer eine individuelle Verweildauer definiert. Das ML-Modul prognostiziert auch einen Ausliefer-Verkehrsträger. Zuvor wurde der Import unbekannt auf zentrale Sammelflächen gesteuert und dann zugeordnet, was weite Ladewege nach sich zog.

50 bis 60 Variablen beeinflussen Transportlogistik

„Die KI-gestützte Transportplanung im Straßengüterverkehr steht noch am Anfang“, sagte Andreas Karanas, Geschäftsführer der Hamburger Carrypicker GmbH. „Es gibt 50 bis 60 Variablen, die Prognosen in der Transportlogistik beeinflussen können, das kann ein Mensch nicht gleichzeitig einrechnen.“

Die Konsequenz ist Karanas zufolge die geringe Auslastung von Lkw, fast jede dritte Fahrt sei eine Freifahrt. Um Teilladungen bündeln zu können, gelte es das Pricing und Matching der Akteure sowie die Optimierung der Ladung zusammenzubringen. Dies ermögliche flexible Modelle, wie man sie aus der Luftfracht schon seit 20 Jahren kenne. Caranas berichtete von seinen Erfahrungen mit dem von ihm gegründeten Start-up Carrypicker, das seinen Anfang als vom Bundesverkehrsministerium gefördertes Forschungsprojekt nahm

In einer abschließenden Diskussionsrunde ging es um Erfolgsfaktoren und Fallstricke in KI-Projekten.

„KI ist keine Glaskugel. Es muss allen Beteiligten klar sein, dass sich unvorhersehbare Ereignisse auch damit nicht prognostizieren lassen“, resümierte etwa Christian Greinert von der HHLA.

Andreas Karanas (Carrypicker) gab zu bedenken:

„Die Transportlandschaft ist hierzulande sehr zersplittert und steht in Sachen KI noch am Anfang. Es gibt aber auch große amerikanische Hyperscaler, die das algorithmische Potenzial in jedem Fall haben und durchaus mit Lösungen auf den Markt einsteigen könnten.“

Hier müsse man sich überlegen, ob man Wert darauf lege, dass entsprechende Entwicklungen aus dem eigenen Land kommen, so Karanas weiter.