Carbon Capture and Storage: Weiterhin Widerstand gegen Kohlendioxid-Speicherung
Lange Jahre bestand Konsens im Norden: Kohlendioxid soll nicht im Untergrund gespeichert werden. Vor zwei Jahren noch hatte der Landtag in Schleswig-Holstein sein Nein zur Anwendung der sogenannten CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CO2) bekräftigt. Doch seitdem hat sich die Situation geändert. Die schwarz-grüne Landesregierung zeigt sich - trotz Kritik - offen für Pläne der Bundesregierung, die Speicherung von CO2 in der Nordsee zu erlauben - wenn auch unter engen Voraussetzungen.
Dies machte Staatssekretär Joschka Knuth aus dem schleswig-holsteinischen Umweltministerium jetzt erneut deutlich. Es brauche einen pragmatischen, wissenschaftsgeleiteten Umgang mit der CO2-Speicherung unter dem Meeresboden. „Dazu gehören strenge umweltrechtliche Leitplanken. In Naturschutzgebieten und Nationalparken hat CCS beispielsweise nichts zu suchen, und es muss sichergestellt sein, dass es wirklich nur um schwer und unvermeidbare Emissionen geht“, sagte der Grünen-Politiker.
Die Vermeidung von CO2-Emissionen habe höchste Priorität. „Das allein reicht aber nicht – einerseits, weil es Bereiche wie die Zementindustrie oder Müllverbrennungsanlagen gibt, bei denen es schwer bis unvermeidbare Restemissionen gibt, und andererseits, weil wir zusätzlich der Atmosphäre aktiv CO2 entziehen müssen.“ Im Kampf gegen den Klimawandel müsse jetzt gehandelt werden.
Bürgerinitiative überreicht Unterschriften gegen CCS
Knuth war zuvor von der Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager am Rande der Energieministerkonferenz in Brunsbüttel eine Petition gegen die Verpressung von Kohlendioxid überreicht worden. Insgesamt hatte die Initiative seit Mitte Mai mehr als 6.700 Unterschriften gegen CCS gesammelt, wie deren erster Vorsitzender Reinhard Knof sagte.
Im Mai hatte die Bundesregierung den entsprechenden Entwurf des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes beschlossen. Die Bürgerinitiative möchte „keine Kohlendioxid-Entsorgung in der Nordsee und unter Land“. Außerdem wendet sie sich gegen CO2-Pipelines durch Schleswig-Holstein.
Sorge wegen undichter Bohrlöcher
Einer von Knofs Mitstreitern ist der Dagebüller Wattführer Walther Petersen-Andresen. Der promovierte Biologe steht an einem Nachmittag im Oktober am Fähranleger von Dagebüll. „Zuerst habe ich gar nicht glauben wollen, was da gesagt wurde“, sagt Petersen-Andresen. „Die Nordsee hat über 15.000 Bohrlöcher. Das heißt, das kommt wieder hoch“, begründet er sein Unbehagen und zitiert aus Studien.
Ein weiterer Punkt: Um das CO2 aus den Industriegebieten, wo es anfällt, an die Küste und weiter ins Meer zu transportieren, braucht es ein Tausende Kilometer langes Pipelinenetz. Dieses wiederum sei anfällig für Sabotage, meint auch Knof. Abgesehen davon, dass es undichte Stellen geben könne.
CCS sollte in Deutschland schon einmal erlaubt werden
Vor mehr als zehn Jahren gab es schon einmal den Versuch, CCS in Deutschland zu etablieren. Aus dieser Zeit stammen einige der Protestzeichen, die noch immer in Nordfriesland an der Straße stehen: Das Gespenst, dem ein Schild mit der Aufschrift „Stoppt CO2-Endlager“ und einem Gasmasken-Piktogramm um den Hals hängt. Oder eine gelbe Kunststoff-Kuh mit der gleichen Aufschrift und dem charakteristischen Gasmasken-Logo.
Das damals verabschiedete Gesetz mit verschiedenen Auflagen kam einem faktischen Verbot gleich. „Man hatte den Eindruck, es ist alles vorbei“, sagte Petersen-Andresen, der sich schon damals gegen CCS engagiert hatte. Entsprechend überrascht war er von dem neuen Vorstoß.
Greenpeace-Studie sieht Milliardenkosten und wenige Vorteile
Die Bundesregierung betont immer wieder, dass die Vermeidung der Nutzung fossiler Energieträger weiterhin oberste Priorität hat. Es wird zum Beispiel auf den geplanten massiven Ausbau der erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne sowie den geplanten Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft verwiesen.
Aber: die Technologien CCS und CCU (CO2-Verwertung) seien notwendig, damit Deutschland Klimaziele erreiche. Ziel ist die sogenannte Treibhausgasneutralität bis 2045. Unter Verweis auf Studien hieß es, die absolut überwiegende Zahl komme zum Schluss, dass in Deutschland bereits ab 2030 relevante Mengen von CO2 abgeschieden und gespeichert beziehungsweise weitergenutzt werden müssten, um die Klimaziele zu erreichen.
Einer neuen Studie im Auftrag von Greenpeace zufolge könnten die Maßnahmen zur Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid hingegen bis 2045 allein in Deutschland Kosten von bis zu 81,5 Milliarden Euro verursachen, ohne dabei nennenswerte Fortschritte beim Klimaschutz oder eine breite Anwendungsreife zu erreichen. Demnach diene CCS vor allem dazu, den Ausstieg der stromerzeugenden Industrie aus fossilen Energien hinauszuzögern, teilte die Umweltorganisation mit.
Dagebüll setzt Zeichen
Dagebülls Gemeindevertretung hat vor einigen Wochen einstimmig einen Antrag verabschiedet, nach dem sich die Kommune zur CCS-freien Gemeinde ernennt. Rechtlich gesehen hat die Entscheidung wohl keine Konsequenzen, sagt Petersen-Andresen, der Mitglied der Gemeindevertretung ist. Sie wird das Verpressen von Kohlendioxid unter der Nordsee kaum verhindern können. Aber sie sei ein Signal, dass man CCS nicht wolle.
Er hofft, dass sich möglichst viele Gemeinden anschließen und sich ebenfalls als CCS-frei erklären. „Da draußen ist niemand, der protestiert. Die Fische werden nicht auf die Barrikaden gehen“, so Petersen-Andresen.
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