Bundeswehr: Wie man ein Logistik-Kommando digitalisiert
Die Corona-Pandemie hat in den zurückliegenden Monaten deutlich vor Augen geführt, dass bei der Digitalisierung und der Digitalen Transformation in Deutschland noch wesentlicher Handlungsbedarf besteht. Dies betrifft viele Bereiche und Aspekte des privaten und beruflichen Lebens. Insbesondere für die Streitkräfte galt und gilt es, sich auf Veränderungen und Herausforderungen bestmöglich einzustellen, um die Kernaufgaben der Sicherheitsvorsorge gewährleisten zu können. Dabei ist der Wandel hin zu einem digitalen Gefechtsfeld, das durch schnelle Informationsübertragung und -verarbeitung mit anschließender Entscheidungsfindung („Führungsüberlegenheit“) geprägt ist, keine temporäre Erscheinung, sondern eine nachhaltige Entwicklung auf Basis globaler Megatrends.
Digitale Transformation ist dabei als ein komplexes Gesamtprojekt, insbesondere innerhalb von großen Organisationen, zu denken und entsprechend zu strukturieren. Dabei gilt es vor allem, gemeinsame Grundlagen zu schaffen, um die vielfältigen Vorteile nutzen zu können. Auch die Streitkräfte sind hiervon betroffen und müssen sich im Rahmen einer Gesamtstrategie in verschiedenen Bereichen digital transformieren und weiterentwickeln.
Das logistische System der Bundeswehr (LogSysBw), mit seiner Vielzahl an Leistungen und seiner Heterogenität von Leistungserbringern, ist hierbei besonders gefordert; es kann aber zugleich besonders schnell und umfassend von der Digitalen Transformation profitieren. Das liegt auch daran, dass es der zivilen Industrie grundsätzlich ähnlich ist. So muss das LogSysBw einerseits hoch flexibel, schnell und reaktionsfähig sein – Faktoren die sich durch eine Digitale Transformation deutlich begünstigen und verbessern lassen. Andererseits muss es aber auch effektiv, resilient und robust sein, um auch unter schwersten Bedingungen, in Krise und Krieg, die logistische Unterstützung und Versorgung der Streitkräfte sicherstellen zu können.
Eine erhöhte Abhängigkeit beziehungsweise Verletzlichkeit der eigenen Prozesse vor dem Hintergrund steigender Cyber-Warfare-Aktivitäten gilt es daher von Beginn an bei der militärischen Betrachtung der Digitalen Transformation mitzudenken.
Um diese Herausforderungen zu erkennen und Veränderungen nutzbar zu machen, müssen sich die Menschen und Organisationen auf diesen Transformationsprozess einlassen, Veränderung zulassen und unter Umständen auch Bestehendes kritisch hinterfragen oder vollständig neu denken. Dies zu steuern ist eine „Mammutaufgabe“.
Im Arbeitsverständnis der Streitkräfte sind – beispielsweise durch agiles Denken und Handeln im Gefecht – zwar exzellente Grundlagen für die Transformation gelegt, aber die Organisationsstrukturen, Stabs-, Denk- und Entscheidungsprozesse sind hierfür noch nicht optimal ausgelegt. Eine wesentliche Chance der Digitalen Transformation ist, durch einhergehende Analyse und Optimierung von Arbeitsabläufen und -prozessen, die Potenziale und Synergien zu identifizieren und knappe Ressourcen somit zielgerichteter sowie optimierter einsetzen zu können.
Die Ausgangssituation
Die Bundeswehr hat, beginnend auf der strategischen Ebene, den klaren Willen zur Umsetzung von Digitalisierungsbestrebungen im gesamten Geschäftsbereich artikuliert. Mit der „Strategischen Leitlinie Digitalisierung“ und der darauf fußenden „Umsetzungsstrategie Digitale Bundeswehr“ wurden seit 2017 diverse Eckpfeiler hierfür eingeschlagen. Parallel dazu wurde im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) mit der Aufstellung der Abteilung Cyber/Informationstechnik seit Oktober 2016 und des Organisationsbereiches CIR (Cyber- und Informationsraum) im Jahr 2017, die ministerielle Verantwortung und Durchführung dieser Gesamtaufgabe mit Ressourcen hinterlegt.
Auch im Kommando Streitkräftebasis (SKB) – also in der ersten nachgeordneten Ebene des BMVg – erfolgte die Umsetzung mit zwei Umsetzungsweisungen im Jahr 2018 und 2019 sowie mit einer weiteren für das Jahr 2022 geplanten Weisung. Diese konkretisieren beziehungsweise detaillieren das weitere Vorgehen für die SKB weiter. Das Logistikkommando der Bundeswehr (LogKdoBw) stieß beginnend ab 2019 über erste Formate und unter Einbindung des gesamten Kommandobereiches eine Lagefeststellung an und sammelte erste Erkenntnisse. Am Ende standen erste koordinative Elemente, neu fokussierte Formate und die hervorgehobene Schwerpunktfestlegung der Kommandoführung. Alle Spitzenführungskräfte im eigenen Aufgabenbereich sollen dabei eng eingebunden werden.
Die grundsätzlichen Kerngedanken zur Digitalen Transformation im Logistischen System der Bundeswehr richten sich demnach daran aus, dass
- durch Digitalisierungsvorhaben für das logistische System immer ein Mehrwert und keine dauerhafte Mehrbelastung entstehen darf,
- Effektivität, Resilienz – auch unter Berücksichtigung möglicher Cyber-Bedrohungen – und Robustheit weiter gesteigert werden müssen,
- dass auch das Potenzial der Wirtschaft und Synergieeffekte, wo immer möglich, zu erschließen und nutzbar zu machen sind und
- dass das zuständige Personal im Rahmen eines nachhaltigen Veränderungsmanagements von Beginn an aktiv mitgenommen werden muss.
Wie voranschreiten?
Bereits die strategischen Leitlinien geben vor, dass die Digitale Transformation eine ständige Evolution ist. Nur durch die beständige eigene Fortentwicklung lassen sich die gewünschten Effekte erreichen, verstetigen und für eine erkennbare Mehrwertsteigerung nutzen. Im Geschäftsbereich des BMVg werden hier neben bestehenden Prozessen, Vorhaben und Projekten auch eine Vielzahl neuer Ansätze und Organisationen (beispielsweise das Cyber Innovation Hub der Bundeswehr – CIHBw) verfolgt. Sie sollen eine Digitale Transformation grundsätzlich über zwei Säulen befördern.
Einerseits handelt es sich um Digitalisierungsaktivitäten, welche einen zumeist technischen Fokus haben, andererseits um Digitalisierungsfähigkeiten mit nutzerorientiertem Blick auf die inhärente Digitalkultur im Aufgabenbereich.
Ebenso verhält es sich im Aufgabenbereich des LogKdoBw: Abgeleitet aus den skizzierten Herausforderungen und besonderen Rahmenparametern der Streitkräfte wurden laufende Vorhaben nach fachlichen Zuständigkeiten strukturiert und in diesem Sinne weitergeführt. Das betraf etwa den Technologiewechsel von „SASPF“ zu „S/4HANA“ oder moderne Lernmethoden. Neue Vorhaben wie beispielsweise 5G-Studien oder Projekte zu Smart Warehousing, Baugruppentracking sowie Innovation Challenges wurden initiiert und eng begleitet. Teilweise wurden sie auch in den weiteren Untersuchungsrahmen gerückt – zum Beispiel Künstliche Intelligenz, Robotic Process Automation, Predictive Analytics oder auch das Veränderungsmanagement in der Digitalen Transformation.
Aufbauend auf den skizzierten Erkenntnissen und Vorgaben wurden zudem erste Maßnahmen zur Umsetzung des digitalen Kulturwandels für das LogKdoBw initiiert. In enger Zusammenarbeit mit BMVg CIT I 4 gab es unter anderem erste Coachings des Führungspersonals. Unter Einbindung des CIHBw soll zudem an der Logistikschule der Bundeswehr und verschiedenen Bataillonen der mobilen Logistiktruppen eine „Innovation Challenge Logistik“ den eigenen inhärenten Innovationsgeist und Mitgestaltungswillen ansprechen.
Zusammen mit dem Digital Enabling Service der BWI machte sich das LogKdoBw zudem daran, eine Strategie für die Digitale Transformation im eigenen Aufgabenbereich zu entwickeln. Sie reicht von einer Ist-Aufnahme, der Gestaltung von Zielbildern, über die Entwicklung von Steuerungselementen bis hin zu einer sogenannten „Digital Roadmap“. Die Strategie soll außerdem die ersten Grundlagen und Werkzeuge für den Regelbetrieb enthalten, um so das Potenzial aller Angehörigen in ihren komplexen Tätigkeitsfeldern und damit die gesamte Leistungsfähigkeit des LogSysBw spürbar zu verbessern. Ziel ist es, den Aufgabenbereich, in dem sich derzeit 16.964 Dienstposten befinden, mittels der Digitalen Transformation insgesamt transparenter, messbarer und steuerbarer zu machen.
Digitale Transformation in der Bundeswehrlogistik
Auch vor dem Hintergrund digitalisierungsgetriebener Veränderungen gilt es für das LogSysBw weiterhin, die richtige Menge der richtigen Güter und/oder Leistungen zur richtigen Zeit und in der richtigen Qualität am richtigen Ort bereitzustellen. Im Kontext der Digitalen Transformation wird sich also nicht das „was tue ich“ absehbar ändern, sehr wohl aber das „wie tue ich es“. Dabei hat das LogKdoBw die Digitale Transformation als eine der höchsten Prioritäten erkannt und geht diese, auch deutlich katalysiert durch die Corona-Pandemie, weiter offensiv an – eine Rückkehr zum Status quo ante wird es hierbei nicht geben.
Die zu lösenden Herausforderungen mögen hierbei noch gewaltig erscheinen. Bei konsequenter Umsetzung und dem Verständnis, dass Digitale Transformation ein bleibender Dauerprozess ist, gilt es nun nach den ersten Schritten diesen neuen gesamtheitlichen Ansatz gemeinsam weiter voranzutreiben und zu verstetigen. Dies auch vor dem Hintergrund, sich auf die zukünftigen Herausforderungen an Streitkräfte in Konflikten in einem digitalen Gefechtsfeld besser einstellen zu können – und abstrahiert für den Aufgabenbereich des LogKdoBw: die durchgängige weltweite logistische Leistungserbringung nachhaltig sicherstellen zu können.
Neben den skizzierten Anpassungen und weiterbestehenden Herausforderungen gilt es somit insbesondere die zukünftigen Chancen einer effektiven Digitalen Transformation zu kommunizieren und in den Fokus rücken. Dabei ist der Nutzen für die Akteure im LogSysBw, stets unter Berücksichtigung der besonderen Rahmenbedingungen von Streitkräften und den eigenen Aufgabenbereichen, zu betrachten – eine Digitale Transformation kostet immense Ressourcen und ist auch niemals als Selbstzweck zu verstehen. Dennoch ist sie ein, wenn nicht der zentrale Aspekt für die laufende Evolution des LogSysBw und für das zukünftige Bestehen der eigenen Kräfte im Konflikt, denn die Logistik bleibt die Basis für alles militärische Handeln. Hierfür ist sie zu steuern und nutzbar zu machen.
Autoren: Autorenteam Abteilung Planung, Programm Sekretariat Digitalisierung - Logistikkommando der Bundeswehr
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