Brexit: Kein Deal in Sicht

Gefahr eines ungeordneten EU-Austritts von Großbritannien bereitet Logistikern große Sorgen.

Der anhaltende Streit über den Austritt Großbritanniens aus der EU belastet zunehmend die Logistikwirtschaft. (Foto: Miriam Dörr/Fotolia)
Der anhaltende Streit über den Austritt Großbritanniens aus der EU belastet zunehmend die Logistikwirtschaft. (Foto: Miriam Dörr/Fotolia)
Sandra Lehmann

Das britische Parlament hat sich am 13. März mit großer Mehrheit gegen einen ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union und damit gegen einen sogenannten harten Brexit entschieden. Medienberichten zufolge gab es unmittelbar vor der Abstimmung noch eine Verschärfung der Vorlage, wodurch sich die Parlamentarier nicht nur gegen einen Austritt ohne Vertrag aussprachen, sondern den harten Brexit mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern möchten. Einen Tag zuvor hatte sich das britische Unterhaus bereits gegen den zwischen London und der EU ausgehandelten zweiten Vertragsentwurf für den Austritt entschieden. Weitere Verhandlungen dazu schloss der EU-Chefunterhändler Michel Barnier aus.

Harter Brexit bleibt Option

Ein ungeordneter Abgang Großbritanniens aus der EU sei damit laut Experten weiterhin eine mögliche Option. Wann genau sich das Vereinigte Königreich aus dem europäischen Staatenbund verabschiedet, soll sich bereits an diesem Donnerstag entscheiden. Dann wird das britische Parlament darüber abstimmen, ob der bisher anvisierte Austrittstermin am 29. März weiterhin Bestand hat oder Premierministerin Theresa May bei der EU um eine kurzfristige Verschiebung bittet.

Zölle unausweichlich

Während es aus London weiterhin keine klaren Signale zum bevorstehenden Brexit gibt, machen sich Wirtschafts- und Logistikexperten zunehmend Sorgen über die Folgen eines möglichen ungeregelten Austritts. Käme es zu diesem Szenario, ständen sich Großbritannien und die übrigen EU-Mitgliedsländer wie Drittstaaten gegenüber, die keine offiziellen Handelsbeziehungen unterhalten und für deren Bürger keine Freizügigkeit herrscht. Für Waren und Produkte müssten dann bei jedem Grenzübertritt Zölle erhoben sowie Neuregelungen für die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis von Mitarbeitern ohne britischen Pass gefunden werden.

„Die Auswirkungen eines harten Brexits sind mit denen einer Naturkatastrophe vergleichbar“, sagte Oliver Zipse, Mitglied des Vorstands der BMW AG anlässlich des Forums Automobillogistik, das im Februar in München stattfand.

Der bayerische Automobilhersteller hat seine Produktion nach eigenen Angaben international eng verzahnt und bereitet sich bereits seit Monaten auf den immer wahrscheinlicheren Fall eines ungeordneten Brexits vor. Auch weil Automotive neben Lebensmitteln als einer der Bereiche gilt, bei denen bei einem „No Deal“- Szenario mit langen Wartezeiten an Grenzübergängen und damit auch mit gravierenden Schwierigkeiten in der Lieferkette zu rechnen wäre. Die Autobauer BMW und Honda haben etwa für Standorte in Großbritannien bereits jetzt die vorübergehende Einstellung der Produktion unmittelbar nach dem Brexit-Termin angekündigt.

Versorgung durch Zulieferer nicht gewährleistet

Kritik kommt indes auch vonseiten des Deutschen Verkehrsforums (DVF). Einer Umfrage unter den Mitgliedern zufolge, die am 12. März veröffentlicht wurde, zeigt: Verkehrs- und Logistikverantwortliche erwarten für Unternehmen des Wirtschaftszweigs vor allem Unsicherheiten bei den Verkehrsrechten, steigende Kosten durch Zölle und höheren Koordinierungsbedarf sowie eine eingeschränkte Flexibilität beim Personaleinsatz. „Wir befürchten eine deutliche Einschränkung des Warenaustauschs mit Großbritannien, die Logistikketten zwischen britischen und deutschen Unternehmen werden ausgebremst“, sagte Dr. Jörg Mosolf, Präsidiumsvorsitzender des DVF. Der Verein wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich nicht nur der Koordinierungs- und Lageraufwand für Logistiker durch einen harten Brexit vervielfachen könnte, auch die wechselseitige Versorgung durch Zulieferer wäre aus Sicht des Forums dann nicht mehr gewährleistet.