Brennstoffzellen-Stapler: Da ist sogar noch mehr drin

Projektpartner BMW, Linde Material Handling und TU München ziehen positive Bilanz.

Das Projekt „H2-Intradrive" läuft seit zwei Jahren im BMW-Werk Leipzig. (Foto: Reichel)
Das Projekt „H2-Intradrive" läuft seit zwei Jahren im BMW-Werk Leipzig. (Foto: Reichel)
Redaktion (allg.)

Der Business Case ist schon jetzt gegeben, unter bestimmten Umständen. Und: da ist noch mehr drin, in der Brennstoffzellentechnologie - das ist das Fazit des zweijährigen Projekts „H2-Intradrive" im Werk Leipzig mit brennstoffzellenbetriebenen Flurförderzeugen, das BMW gemeinsam mit Linde Material Handling und der TU München durchgeführt und ausgewertet hat. Die Brennstoffzellentechnologie biete gute Chancen, mittelfristig einen Teil der konventionellen Energieträger abzulösen, so das Resumee der Beteiligten. Zur auf Anhieb guten Wirtschaftlichkeit trug vor allem bei, dass der Betrieb völlig pannenfrei verlief. Die insgesamt elf Fahrzeuge, fünf 3,5-Tonnen-Stapler Linde E25 HL sowie sechs E-Schlepper Linde E35 HL meisterten den Schichtbetrieb in der Elektro-Fahrzeugfertigung im BMW-Werk Leipzig klaglos und leisteten die komplette Materialversorgung im CFK-Karosseriebau, die normalerweise von konventionellen batterieelektrischen Fahrzeugen erledigt worden wären. 21.530 Betriebsstunden wurden gesammelt, 4.728 Kilogramm Wasserstoff verbraucht.

Im Dauertest bewährt

„Für unsere Kunden ist es ein wichtiges Signal, dass sich die Wasserstofftechnologie beim Dauertest im BMW i-Karosseriebau bewährt und den Status der Marktreife erreicht hat“, bilanzierte Christophe Lautray, CSO Linde MH bei der Vorstellung der Ergebnisse in Leipzig. Das sogenannten H2Intra-Drive-Projekt wurde im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) mit 2,9 Millionen Euro gefördert. Zu den "bestimmten Umständen" zählt etwa eine hohe Arbeitsintensität im 2- oder 3-Schichtbetrieb. Durch die kurze Betankungsdauer von 2,2 Minuten beim Stapler und 1,5 Minuten bei den Schleppern, sei zudem die betriebliche Verfügbarkeit im Vergleich zu „konventionellen“ Elektro-Staplern mit Blei-Säure-Batterien deutlich gesteigert worden. Für diese wurde eine Batteriewechselzeit von zehn Minuten beim Stapler und rund fünf Minuten beim Schlepper vorsichtig angenommen.

Kostbare Fläche eingespart

Einen weiteren großen Vorteil ergibt sich aus dem geringeren Platzbedarf der Wasserstofftechnologie: mit der ersten Indoor-Tankinfrastruktur für Wasserstoff in Deutschland betrat BMW Neuland - und sparte zugleich im 2010 eröffneten, schon wieder eng werdenden Werk kostbare Fläche. Mit 15 Quadratmetern hält sich die aufwändig konstruierte, mit diversen Sicherheitsvorkehrungen vom Abrissschutz für den Tankstutzen bis zu Rammschutz und Erdungsplatte versehene Wasserstoffinfrastruktur kompakt. Kein Vergleich dazu die aufwändige Blei-Säure-Batterie-Infrastruktur samt Lademöglichkeiten, Hubeinrichtungen, Schutzwannen, Notfallduschen in schlankem Rahmen. Auch extern bleibt die Infrastruktur mit einem Wasserstoffspeicher sowie einer Betankungsanlage vom Platzbedarf bescheiden.

Die Forscher vom Lehrstuhl Fördertechnik Materialfluss Logistik der TU München verwiesen in diesem Zusammenhang auch auf die geringere physische Belastung der Lagermitarbeiter durch den leichtgängigen Tankvorgang im Vergleich zum aufwändigen Batterietauschverfahren mit Hubwagen oder Kran. Dies sei natürlich auch von den Personalkosten her interessant, da man sich Mitarbeiter für die Materialpflege einsparen könne, konstatiert TU-Forscher Robert Micheli, gemeinsam mit Prof. W.A. Günthner Autor der Begleitstudie nüchtern. Bei der Nachhaltigkeit muss man die Bilanz differenziert betrachten: Bei herkömmlichem Energiemix liegen Brennstoffzellenfahrzeuge auf Anhieb knapp vor dem Elektroflurförderzeugen, deren Energiegesamtbilanz von der aufwändigen Akku-Fertigung verschlechtert wird. Dafür büßt die Brennstoffzelle in Sachen Wirkungsgrad gegenüber dem Batterieelektrostapler ein, liegt noch immer knapp darunter.

Größere Tanks sollen Reichweite erhöhen

Bei der Verwendung "grüner Energiepfade", sprich regenerativer Energien, sind Elektro-Stapler sowie Elektro-Schlepper unschlagbar. Wenn man jedoch beim H2-Flurförderzeug mehr als die 75 Prozent Minimalanforderung erfüllt und höheres Treibhausminderungspotenzial erschließt - etwa durch Nutzung von überschüssigem Windstrom zur Umwandlung in Wasserstoff - ist die Klimabilanz zwischen Elektro und Brennstoffzelle ausgeglichen. Diese Bilanz weiter zu seinen Gunsten verschieben könnte der bereits im Laufe des Projekts weiterentwickelte Brennstoffzellenantriebe mit Hilfe größerer Tanks und höherem Druck, was die Reichweiten erhöhen würde.

Noch hohe Anschaffungskosten

Schon heute sehen viele Nutzer die Vorteile der Brennstoffzellentechnologie: Das ergab eine vom Projekt unabhängige Umfrage der TU München. 93 Prozent der 109 befragten Branchenexperten beurteilen Brennstoffzellentechnologie als positiv, 87 Prozent schätzen vor allem die Betankungsvorteile, gefolgt von Zeit- und Flächenvorteilen. Immerhin 57 Prozent der Befragten hatten bereits Erfahrung mit der Technologie gemacht. Allerdings fühlen sich 80 Prozent noch unzureichend informiert - und mit 58 Prozent sieht weit als die Mehrheit der Befragten als größtes Hemmnis für den Einsatz die noch hohen Anschaffungskosten.

Wettbewerber zeigen Interesse am Projekt

Apropos Informationsdefizit: Die Erkenntnisse und Prozesse des Projekts wurden in einem Forschungsbericht sowie einem "Leitfaden für den Einsatz von wasserstoffbetriebenen Flurförderzeugen" zusammengefasst und allgemein zugänglich veröffentlicht. Auch die Wettbewerber von BMW, vor allem VW und Daimler zeigten großes Interesse an dem Projekt - und waren in diesem Falle eher Partner, um eine Technologie gemeinsam voranzubringen, denn Konkurrenz.