Blockchain: Technologie auf dem Vormarsch

Expertenveranstaltung zeigt Chancen und Risiken.
Expertenrunde bei der CSCMP-Veranstaltung zu Blockchain und Supply Chain Management (von links): Matthias Graefe (IBM), Prof. Wolfgang Prinz (Fraunhofer FIT), Dr. Hans-Ullrich Förster (Viessmann) und Oliver Gahr (IBM) diskutierten mit den Teilnehmern. (Foto: László Dobos)
Expertenrunde bei der CSCMP-Veranstaltung zu Blockchain und Supply Chain Management (von links): Matthias Graefe (IBM), Prof. Wolfgang Prinz (Fraunhofer FIT), Dr. Hans-Ullrich Förster (Viessmann) und Oliver Gahr (IBM) diskutierten mit den Teilnehmern. (Foto: László Dobos)
László Dobos

Blockchain ist eines der Top-Themen in Unternehmen, selbst Experten wissen noch nicht genau, was die Technologie bewirken wird. Aber sie wird wohl schon in einigen Jahren disruptiv auf Unternehmen einwirken, die selbst Wirtschaftssektoren disruptiv verändert haben, wie etwa Uber und AirBnB. Das waren die wichtigsten Aussagen der Teilnehmer der Veranstaltung zum Thema Blockchain und Supply Chain Management, den der Council of Supply Chain Management Professionals (CSCMP) in München organisierte. Sie fand im IBM Watson IoT Headquarters statt.

Blockchains führen in das Internet des Vertrauens

Den ersten Vortrag hielt der Informatikprofessor Wolfgang Prinz. Er forscht intensiv zu Blockchains, treibt die Blockchain Labs am Fraunhofer FIT voran und ist Editor eines interdisziplinären Positionspapiers verschiedener Fraunhofer-Gesellschaften zu Blockchain und Smart Contracts. Prinz zufolge führen Blockchains die nächste Stufe des Internets ein: das Internet der Werte oder das Internet des Vertrauens. Demnach können Blockchains, wie beispielsweise Bitcoin, bei Transaktionen dasjenige Vertrauen gewährleisten, das derzeit von zentralen Vermittlerinstitutionen, wie Banken, gewährleistet wird. Der große Vorteil von Blockchains sei es, dass dort festgehaltene Informationen im Grunde unveränderbar seien. Das würden kryptografische Verfahren und ein Netz an Anwendern, die die Stimmigkeit der Informationen überprüfen, sicherstellen. So könne die Blockchain Bitcoin genau festhalten, wer wie viele Bitcoins auf seinem Konto hat, erklärte Prinz.

Smart Contracts können Reklamationen vereinfachen

Allerdings lässt sich das Prinzip auch außerhalb des Finanzsektors anwenden, etwa bei der Überprüfung von Zertifikaten. Als Beispiel nannte Prinz Bildungsinstitute, die Zertifikate über Studenten in eine Blockchain stellen. Arbeitgeber können dann dort sofort sehen, ob sie manipuliert wurden. Eine weitere Anwendung seien Smart Contracts, die automatisch bestimmte Handlungen auslösen können, wenn auf einer Blockchain eine bestimmte Information eingegangen ist. Denkbar wären beispielsweise Sensoren, die Daten von Containern in eine Blockchain einspeisen. Wenn sie dann beispielsweise die Informationen eingeben, dass es in einem Container mit Kühlware zum Teil zu warm war, bekommt der Verlader vom Spediteur automatische eine Gutschrift.

Risiko falsch eingegebene Information

Prinz wies aber auch auf Risiken von Blockchains hin. Da die Informationen in ihr praktisch unveränderbar seien, können sie falsch eingegebene Informationen konservieren. Smart Contracts wiederum lösen automatisch irreversible Handlungen aus. In manchen Kontexten könne das gefährlich sein. Prinz resümierte, dass man im Moment noch nicht ganz verstehe, welche Implikationen die Technologie haben werde.

Mit Blockchains gegen Produktfälschungen

Wie man eine konkrete Blockchain-Anwendung für die Lieferkette in einem Unternehmen umsetzt, war das Thema des IBM-Experten Oliver Gahr. Er ist Program Director Innovation für die Bereiche Blockchain und Internet of Things beim IT-Konzern. Sein Team entwickelte eine Lösung für einen Autozulieferer, die gefälschte Teile erkennen soll. Hierfür müssen die Mitarbeiter den individuellen Produktcode an den Autoteilen des Herstellers an jeder Station der Lieferkette scannen. Die Information, wann an welcher Station ein Autoteil gescannt wurde, wird in der Blockchain gespeichert. Diese Informationen sind für die Beteiligten zugänglich. Wenn also ein Mechaniker in einer deutschen Werkstatt ein Teil vor dem Einbauen ins Auto scannt und feststellt, dass es eigentlich auf einem Schiff Richtung Südamerika sein müsste, weiß er, dass er wahrscheinlich eine Fälschung in der Hand hält.

Auf das Konzept kommt es an

Gahr empfahl für die Umsetzung von Blockchain-Projekten, viel Wert auf die konzeptionelle Arbeit zu legen. Es sei entscheidend, die Perspektive des Anwenders einzunehmen und genau auszuarbeiten, wie er mit der Blockchain umgehen kann und welche Vorteile er davon hat. Eine weitere Erkenntnis aus dem Projekt war, dass eine Blockchain umso performanter ist, je weniger Anwender die Stimmigkeit der Informationen ständig überprüfen. Gahr glaubt an eine große Zukunft für Blockchains. Ihm zufolge könnten sich die ersten Anwendungen auf dieser technologischen Basis, die dieselben Dienstleistungen wie AirBnB oder Uber anbieten, in zwei-drei Jahren etablieren.

Die Frage der Fachkräfte

Matthias Graefe, Director Supply Chain Transformation bei IBM, stellte auf der Veranstaltung eine Blockchain-Lösung vor, die bei der Zollabwicklung in Singapur helfen soll. Einige Teilnehmer der Veranstaltung fragten die Referenten, ob es überhaupt genügend IT-Fachkräfte gebe, um massenhaft neue Blockchain-Anwendungen zu programmieren. Hierzu sagte Graefe, dass speziell für diesen Bereich das Angebot an Fachkräften ganz gut sei. Viele Spezialisten, deren Ausbildung schon viele Jahre zurückliegt, seien häufig sehr gut geeignet. Denn die für die Blockchain wichtige Kryptografie habe früher in Studium und Ausbildung eine größere Rolle gespielt.