Beschaffung: Lieferkettengesetz als Nachhaltigkeitstreiber

Eine Studie zeigt, dass Procurement- und SCM-Spezialisten sehr unterschiedliche Aspekte aus der Gesetzesnovelle erwarten.

Wie wirkt sich das Lieferkettengesetz auf das Procurement der Zukunft aus? Dazu befragten AMC und CBS 162 Einkaufsspezialisten. (Grafik: AMC)
Wie wirkt sich das Lieferkettengesetz auf das Procurement der Zukunft aus? Dazu befragten AMC und CBS 162 Einkaufsspezialisten. (Grafik: AMC)
Therese Meitinger

Der Einkauf könnte künftig lokaler, komplexer, teurer, aber auch nachhaltiger werden. So schätzen Beschaffungsspezialisten die Auswirkungen des jüngst verabschiedeten deutschen Lieferkettengesetzes auf den Einkauf ein, wie eine Studie der Bonner Einkaufsberatung AMS Group und der CBS International Business School aus Köln ergab. Die am 9. Juli veröffentlichte Erhebung betrachtet die Auswirkungen der Gesetzesnovelle auf die Nachhaltigkeit von Lieferketten, auf das Lieferanten-, Risiko- und Warengruppenmanagement sowie auf die Vertragsgestaltung mit Lieferanten.

Die Ergebnisse fasst Studienleiterin Isabelle Groß, AMC Group, zusammen:

„Das Lieferkettengesetz wird die verschiedenen Funktionsprozesse des Einkaufs im Lieferanten-, Risiko-, Warengruppen- und Performance-Management verändern. Auf die Nachhaltigkeit von Lieferketten wird sich das Gesetz positiv auswirken. Das belegen die Einschätzungen unserer Studienteilnehmer deutlich.“

Die Umfrage unter Einkäufern, Führungskräften und Logistikexperten zeige, wie polarisierend das Thema Lieferkettengesetz in Verbindung mit einer fairen Wertschöpfung sei, so Groß weiter. Nachhaltigkeit werde zu einem wesentlichen Bestandteil von Unternehmensstrategien.

Ausgewertet wurden AMC zufolge 162 Fragebögen. Ein Viertel der Befragten kam aus dem strategischen Einkauf, zehn Prozent aus der Logistik. Dazu Führungskräfte, Spezialisten aus dem Einkaufssupport und dem operativen Einkauf.

Sieben Hauptergebnisse geben die Studienautoren an:

1. Über die Hälfte ist mit dem Gesetz vertraut: Über die Hälfte (58 Prozent) der Teilnehmenden bestätigt, dass sie sich mit dem Lieferkettengesetz gut auskennen. Ein knappes Fünftel blieb neutral, ein weiteres Fünftel (22 Prozent) gab an, sich nicht gut oder gar nicht damit auszukennen.

2. Die Mehrheit erachtet das Gesetz für wichtig: 84 Prozent der Befragten halten das Lieferkettengesetz für ein wichtiges Instrument für nachhaltiges Wirtschaften. Eine Minderheit (sieben Prozent) lehnt diese Aussage ab, ein kleiner Teil (8,4 Prozent) ist unentschieden.

3. Vertragsanpassungen sind notwendig: Mit gut 86 Prozent ist die überwiegende Mehrheit der Befragten überzeugt, dass die Verträge mit Lieferanten künftig um Nachhaltigkeitsklauseln erweitert werden.

4. Komplexität nimmt zu: Das Lieferantenmanagement muss durch das Lieferkettengesetz überprüft und neu bewertet werden. 90 Prozent der Teilnehmenden denken, dass Lieferantenbewertungen durch nachhaltige Kriterien wie Beeinträchtigungen von Menschenrechten und Umweltaspekte ergänzt werden. 85,8 Prozent glauben, dass die Klassifizierung von Lieferanten überarbeitet werden wird. Deutlich über die Hälfte (67,9 Prozent) ist der Meinung, dass staatlich anerkannte Standards wie ISO-Zertifizierungen durch das Lieferkettengesetz an Bedeutung gewinnen.

5. Schulungen und Risikomanagement: Die überwiegende Mehrheit der Befragten (rund 90 Prozent) ist der Meinung, dass das Lieferkettengesetz Schulungen zu Nachhaltigkeit und zu neuen Compliance-Vorschriften erfordert. Fast genauso viele (86,5 Prozent) sprechen sich für eine Erweiterung der Fähigkeiten des Einkaufs im Risikomanagement sowie für den Einsatz digitaler Lösungen aus (87,7 Prozent). Über 90 Prozent erwarten eine stärkere Compliance-Überwachung durch das Lieferkettengesetz. 83 Prozent sind überzeugt, dass das Management von Risiken durch die Gesetzesnovelle nochmals an Bedeutung gewinnen wird

6. Neue Einkaufsstrategien führen zu höheren Preisen: Strategischer Einkauf funktioniert über die Betrachtung von Warengruppen. Dass es zu Strategieanpassungen kommen wird, glauben 77,8 Prozent der Befragten, 84 Prozent rechnen mit einer neuen Bewertung von Warengruppen. Eine große Mehrheit (80 Prozent) erwartet Preissteigerungen.

„Der Erlass des Lieferkettengesetzes sollte nicht als Kostentreiber für den Einkauf verstanden werden, sondern als eine durchaus vertretbare Investition in die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens“, kommentiert CBS-Präsidentin Prof. Dr. Lisa Fröhlich den Aspekt eines nachhaltigen Kostenmanagements.

7. Einkauf wird lokaler und nachhaltiger: Ein besonderer Schwerpunkt der Studie lag auf der Untersuchung der Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit durch das Lieferkettengesetz. Ein Großteil der Teilnehmenden (zwischen 71 und 76 Prozent) glaubt, dass durch das Lieferkettengesetz lokale Lieferanten bevorzugt werden, es geografische Nachfrageverschiebungen geben und Local Sourcing als Einkaufsstrategie befördert wird. Noch mehr (87,7 Prozent) sind der Meinung, dass künftig nachhaltige Produkte in Ausschreibungsprozessen bevorzugt werden. Dass all dies positive Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft hat, denken 84 Prozent der Befragten. 89 Prozent sehen das Lieferkettengesetz als wichtigen Treiber für ein nachhaltiges Lieferantenmanagement.