Analyse: Unsicherheiten dämpfen M&A-Euphorie in Transport und Logistik

Das Deals-Geschehen in der globalen Transport- und Logistikindustrie erwies sich laut dem „Transport & Logistics Barometer“ von PwC im ersten Halbjahr 2022 als leicht rückläufig.

Laut einer PwC-Studie war das Deals-Geschehen in der globalen Transport- und Logistikindustrie im ersten Halbjahr 2022 leicht rückläufig: Personalengpässe, hohe Energiepreise und Lieferkettenprobleme machen dem Bereich zu schaffen. (Symbolbild; Foto: paulbranding/AdobeStock)
Laut einer PwC-Studie war das Deals-Geschehen in der globalen Transport- und Logistikindustrie im ersten Halbjahr 2022 leicht rückläufig: Personalengpässe, hohe Energiepreise und Lieferkettenprobleme machen dem Bereich zu schaffen. (Symbolbild; Foto: paulbranding/AdobeStock)
Matthias Pieringer

In der Transport- und Logistikbranche waren die weltweiten Fusionen und Übernahmen nach dem Rekordjahr 2021 in der ersten Jahreshälfte 2022 leicht rückläufig: Zwischen Januar und Juni wurden insgesamt 129 Deals im Gesamtwert von 125,9 Milliarden US-Dollar angekündigt. Besonders aktiv zeigten sich dabei strategische Investoren, die an beinahe jedem zweiten Deal (46 Prozent) beteiligt waren, wie aus der Analyse „Transport & Logistics Barometer“ hervorgeht. Für diese hat die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland gemeinsam mit ihrer globalen Strategieberatung Strategy& die aktuellen Entwicklungen, Mergers & Acquisitions (M&A), Joint Ventures und strategischen Allianzen in der Transport- und Logistikindustrie in den ersten sechs Monaten 2022 untersucht.

Allgemeine Unsicherheit sorgt für Abkühlung

„In der ersten Jahreshälfte haben sich die M&A-Aktivitäten in der Transport- und Logistikbranche abgekühlt“, sagte Ingo Bauer, Leiter des Bereichs Transport & Logistik bei PwC Deutschland. „Diese Entwicklung ist vor allem der allgemeinen Unsicherheit geschuldet, die durch die russische Invasion in die Ukraine und den daraus resultierenden Folgen wie den explodierenden Energiepreisen, hohen Personalkosten und gestörten Lieferketten, verstärkt wurde.“ 2021 sei, so Bauer, allerdings ein Rekordjahr für M&A-Aktivitäten in der Branche gewesen; „die Fusionen und Übernahmen in der ersten Jahreshälfte 2022 bewegen sich noch immer auf einem vergleichsweise stabilen Niveau“.

129 Deals im ersten Halbjahr 2022

Mit 129 Deals liegt das erste Halbjahr laut der PwC-Studie nur leicht unter dem Fünfjahresdurchschnitt von 134 Fusionen und Übernahmen pro Halbjahr. Das Deal-Volumen erreichte mit knapp 126 Milliarden US-Dollar den höchsten Wert für ein Halbjahr seit 2017. Treiber dieser soliden M&A-Entwicklung sind den Angaben zufolge frachtbezogene Deals, die für 72 Prozent der Transaktionen verantwortlich waren; die übrigen 28 Prozent entfallen auf Mergers & Acquisitions im Personentransport.

Maßgeblichen Anteil am hohen Deal-Volumen hat PwC zufolge die größte Übernahme der ersten Jahreshälfte: Blackstone und die italienische Benetton-Familie haben angekündigt, über ein gemeinsames Investitionsvehikel die verbliebenen 66,6 Prozent an der italienischen Gruppe Atlantia mit Transportinfrastrukturen für 52 Milliarden US-Dollar zu kaufen.

Zwischen Januar und Juni wurden laut der Analyse 18 weitere Transaktionen mit einem Volumen über einer Milliarde US-Dollar, sogenannte Mega-Deals, angekündigt. Im Jahr 2021 hatte es insgesamt 47 Mega-Deals gegeben.

Schwaches Abschneiden Chinas

Wie PwC weiter mitteilte, schneide China in der M&A-Halbjahresbilanz „auffällig schwach“ ab: Im Reich der Mitte befinden sich die Deal-Aktivitäten in der Branche demnach auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Im ersten Halbjahr waren chinesische Transport- und Logistikunternehmen nur an 15 Prozent aller weltweiten Deals beteiligt.

Dieser Trend könnte sich weiter fortsetzen: „Tendenzen zur De-Globalisierung lassen sich bereits beobachten. Zudem besteht die Gefahr, dass sich ein Gegengewicht zu den westlichen Ländern unter chinesischer und russischer Führung bilden könnte. In der Folge könnten westliche Transport- und Logistikfirmen zurückhaltender werden, wenn es um Deals oder Investitionen in China geht“, so Dr. André Wortmann, Partner und Koordinator Transport & Logistik Deals bei PwC Europe.

Rückläufig ist laut der Analyse in allen Regionen die Anzahl der strategischen Allianzen und Joint Ventures. Diese finden nur vereinzelt statt, häufig mit einem Fokus auf autonome Fahrzeuge, Dekarbonisierung und alternative Treibstoffe.

Zusammenspiel verschiedener Umstände

Der Hauptgrund für den Dämpfer bei den Deals-Aktivitäten sei, wie PwC weiter mitteilte, das Zusammenspiel verschiedener Umstände: „Die Nachwirkungen der Pandemie, der Ukraine-Krieg und dessen begleitende Faktoren wie eine hohe Inflation und steigende Zinsraten führen zu allgemeiner Unsicherheit und drücken somit auf die Wachstumsaussichten der Weltwirtschaft. Mit Blick auf den andauernden Krieg und die Lieferkettenverzögerungen in Folge des chinesischen Corona-Lockdowns haben die Wirtschaftsinstitute ihre Wachstumsvorhersagen für 2022 nach unten korrigiert. Gemäß der Szenarioanalysen von PwC und Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, soll das Bruttoinlandsprodukt in der Europäischen Union 2022 voraussichtlich nur noch um 2,5 Prozent zulegen“, hieß es. Vor dem Ausbruch des Krieges waren die Fachleute noch von einem Plus von vier Prozent ausgegangen.

„Besonders die steigenden Kosten für Energie und Personal machen den Unternehmen der Transport- und Logistikbranche zu schaffen, da diese in der Regel mit engen Margen operieren“, erklärte Dr. André Wortmann. „Diese Herausforderungen addieren sich zu den bereits bestehenden Verzögerungen in den internationalen Lieferketten und den Preissprüngen in Folge der Corona-Pandemie.“ Der Personenverkehr sei dabei im Vergleich weniger stark von den Verzögerungen in der Supply Chain betroffen als der Güterverkehr. Auch mittelfristig werden „Verzögerungen in den Lieferketten und Personalengpässe die Branche stark beschäftigen“, so Wortmann weiter.

Grundsätzlich positive Aussichten

Die Aussichten für die weitere Entwicklung der Branche in der zweiten Jahreshälfte sehen die PwC-Experten grundsätzlich positiv – sofern sich die geopolitische Lage nicht weiter verschärft. Herausforderungen wie der Fachkräftemangel würden die Branche jedoch auch in den nächsten Monaten weiter beschäftigen, hieß es.

Ingo Bauer geht davon aus, dass die „M&A-Aktivitäten auf dem aktuellen Niveau stabil bleiben könnten, auch wenn diese Prognose mit Unsicherheiten behaftet ist. Sowohl Unternehmen als auch Finanzinvestoren verfügen nach wie vor über ausreichend Kapital, um weltweite Deals zu finanzieren. Mit Blick auf die sinkenden Bewertungen der Targets ergeben sich so auch in Zukunft zahlreiche Chancen für erfolgreiche Fusionen und Übernahmen.“