Logistik-Outsourcing: Unternehmen müssen auf Vertragsgestaltung achten: Reibungslose Übergabe

Redaktion (allg.)


Outsourcing in der Logistik ist nicht mehr wegzudenken. Um aus der Vergabe an externe Dienstleister den größten Nutzen zu ziehen, müssen Unternehmen auf die vertragliche Gestaltung achten.

Ob es sich um klassische Transport- oder Lagerdienstleistungen handelt, die Vormontage von Fahrzeugen in der Automobilbranche, das Einsammeln von nicht verwendeten Medikamenten im Pharmasektor oder spezielle Services im After-Sales-Bereich in der Hightech­industrie: Die Aufgaben, die Unternehmen an Logistikdienstleister auslagern, werden zunehmend vielfältiger. Damit steigt auch die Komplexität der Vertragsgestaltung. Nur wenn Leistungsbeschreibung, Preisregelungen, Haftungs- und Gewährleistungsfragen sowie Streitschlichtungsmechanismen und komplexe arbeits- vertragliche Regelungen berücksichtigt werden, sind langfristig zufrieden stellende Verträge zu erzielen.

 

Leistungsbeschreibung
Damit es nicht zum ständigen Streit um Verantwortlichkeiten und Kosten kommt, muss ein Outsourcing-Vertrag die Aufgabenbereiche genauso wie die Leistungsqualität des Dienstleisters genau beschreiben. Aber auch bei möglichst genauer ­Beschreibung der zu erbringenden Leistungen kommt es immer vor, dass diese nicht eindeutig erfasst sind. Ist zum Beispiel der Umzug eines Lagers innerhalb der Betriebsstätte des Kunden noch Gegenstand der Leistungspflicht, wenn der Vertrag nur allgemein vom Betrieb des Lagers spricht? Der Vertrag sollte daher eine allgemeine Regelung beinhalten, die alle Bereiche, die nicht ausdrücklich erwähnt sind, als entweder „innerhalb“ oder „au­ßer­halb“ des Leistungsbereichs (in-scope oder out of scope) definiert. Dann ist klar, ob das Unternehmen dafür extra bezahlen muss oder der Logistikdienstleister diese abrechnen kann.


Die Messung der Leistungsqualität erfolgt durch definierte Leistungsparameter. Üblicherweise sind bestimmte „Key Performance Indikatoren“ (KPI) zu benennen, die das auslagernde Unternehmen als absolut leistungskritisch ansieht – beispielsweise definierte Transitzeiten für den Warentrans­port, das Maß der „inventory accuracy“ bei der Übernahme von Distributionszentren oder die Festlegung der „inbound performance“.
Die Indikatoren gelten als Anknüpfungspunkte für Vertragsstrafen und Kündigungsregelungen. Allerdings sollten nur wenige, messbare Leistungsparameter – in der Regel nicht mehr als drei bis fünf – definiert werden. Denn je mehr KPI, desto aufwändiger werden Handling, Reporting und Controlling für beide Vertragspartner.

 

Preisgestaltung
Die Leistungsbeschreibung ist zugleich auch Anknüpfungspunkt für die Preisgestaltung. Üblich sind hier bestimmte Grundbeträge sowie Startkosten („set-up fees“), die pauschaliert zu zahlen sind. Hinzu kommen meist beim Gütertrans­-port kubikmeter-abhängige Preise und bei Warenbewegungen im Lager so genannte Transaktionspreise („transaction unit“).
Vorab muss hierbei jedoch der Begriff der Transaktion definiert werden und die Auswirkungen der Definition sollten in Musterrechnungen durchgespielt werden. Wird im Lager die Berechnung auf die eingehenden Waren abgestellt, können die monatlichen Zahlungen des Kunden bei großem Produktionsausstoß hoch sein. Trotzdem kann es passieren, dass je nach Wirtschaftslage wenig verkauft und damit nicht viel ausgesendet wird. In diesem Fall dürfte es für den Kunden also güns­tiger sein, die Transaktionspreise nur auf ausgehende Lieferungen abzustellen – selbst wenn der Dienstleister ein gegenläufiges Interesse hat. Es ist Aufgabe der Vertragsverhandlungen, für beide Seiten einen tragfähigen Kompromiss zu finden. Ohne vorhergehende Analyse von Warenströmen und Lagerkapazitäten über bestimmte Monate oder Wirtschaftszyklen kann es jedoch zu teuren Überraschungen kommen.

 

Gewährleistung und Haftung
Kunden verlangen vom Outsourcer gerne eine möglichst weit gehende Übernahme der Gewährleistung und Haftung, um sich so von Risiken zu befreien, für deren Absicherung er zuvor Versicherungsleistungen bezahlt hat. Schon aus diesem Grund wäre es nicht realistisch, vom Dienstleister die komplette kostenlose Risikoübernahme zu verlangen. Entstehende Versicherungskosten sind also bei der Diskussion von Haftungsreglungen zu berücksichtigen.



Genauso muss das finanzielle Risiko einer fehlerhaften Leistung, des kompletten Leistungsstillstandes oder des Produktunterganges bestimmt werden: Löst die Zerstörung der Produkte durch die Unachtsamkeit eines Lagermitarbeiters des Outsourcers lediglich einen Schaden in Höhe des Materialwertes aus? Oder wird die Wettbewerbsfähigkeit des Kunden maßgeblich beeinträchtigt und gehen Marktanteile verloren, weil Produkte nicht rechtzeitig nachproduziert werden können? Statt standardisierter Haftungsbeträge sollte lieber eine risiko- und fallgerechte Absicherung angestrebt werden. Nur so bleibt die Dienstleistung für beide Parteien geschäftlich lohnend.
Das gilt auch für die beliebten Vertragsstrafenklauseln, die in der Regel an die Verletzung bestimmter KPIs geknüpft werden. Weil ständiger Streit nicht im Interesse beider Parteien liegt, könnte dem Outsourcer die Möglichkeit gegeben werden, die Strafzahlung zurückzuverdienen („earn-back“). Alternativ könnten Bonus/ Malus-Systeme diskutiert werden, die einen Anreiz zur verbesserten Leistungsqualität schaffen.


Äußerst sinnvoll ist es, Streitbeilegungs­verfahren festzulegen, die Auseinandersetzungen außergerichtlich und möglichst ohne Kündigung lösen. Dabei ist es für den Kunden wichtig, den Dienstleister vertraglich zu verpflichten, auch im Streitfall seine geschuldeten Leistungen weiterhin zu erbringen. Bleibt die interne Eskalation ergebnislos, bieten sich Mediation oder Schieds- gerichtsverfahren als vertragliche Konfliktlösung an.

 

Kündigung und Ausstieg
In der Vertragspraxis stellt sich immer wieder heraus, dass die beteiligten Partner die Langfristigkeit der Zusammenarbeit in der Vertragsgestaltung nur unzureichend reflektieren. Es finden sich zwar grundsätzlich Kündigungsklauseln, aber häufig wird nicht berücksichtigt, dass beide Vertragsparteien bei einer Kündigung oft keine reale Alternative haben – insbesondere wenn der Kunde das gesamte Know-how zur Abwicklung und Erfüllung der ausgelagerten Leistungen abgegeben hat. Im Regelfall sollte daher vorgesehen werden, dass vor der Kündigung eine Abmahnung erfolgt. So wird der verletzenden Vertragspartei noch Gelegenheit gegeben, den Vertrag „zu retten“. Kommt es doch zur Kündigung, ist darauf zu achten, dass die „Rückübertragung“ – von Mitarbeitern, Vermögensgütern, Verträgen und Logistik-Know-how – im Vertrag angesprochen ist und dafür ein Lösungsweg vorgegeben wird.
Die tatsächliche Rückabwicklung eines Outsourcing-Vertrages ist außerordentlich komplex und es werden nicht alle potenziellen Schwierigkeiten vertraglich erfasst werden können. Darum ist es wichtig, entsprechende Kooperationspflichten vorzusehen und ebenso Sanktionen im Verletzungsfall. So hat der meistens schlechter positionierte Kunde wenigstens ein Minimum an Druckmitteln.


Die Erfahrung zeigt: Je mehr Sorgfalt auf die vertragliche Regelung verwandt wird, desto weniger kommt es zu Kündigungen. Wie bei allen langfristigen Verträgen, haben die Projekte eine größere Erfolgschance, bei denen die Gestaltung fair und ausgewogen ist – und beide Parteien davon wirtschaftlich profitieren. jv

Autoren: Dr. Katharina Scheja, Rechtsanwältin, FPS Fritze Paul Seelig, Frankfurt am Main und Petra Jacob, Director Impact Logistics, Infineon Technologies AG, München.

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