Wasserstoff: Grüner Leuchtturm auf sechs Rädern

Alle Nürnberger dm-Märkte werden jetzt mit Brennstoffzellen-Lkw beliefert. Die Kooperationspartner dahinter wollen auch einen Impuls für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft setzen.

Startschuss des Projekts in Nürnberg (v. l. n. r.): Peter Fog-Petersen (DSV), Ralf Amm (Amm), Nadine Siemes (DSV), Christian Bodi (dm), Christoph Werner (dm), Michael Sternbeck (dm), Stefan Raum (Amm), Dr. Michael Fraas (Stadt Nürnberg). Bild: DM
Startschuss des Projekts in Nürnberg (v. l. n. r.): Peter Fog-Petersen (DSV), Ralf Amm (Amm), Nadine Siemes (DSV), Christian Bodi (dm), Christoph Werner (dm), Michael Sternbeck (dm), Stefan Raum (Amm), Dr. Michael Fraas (Stadt Nürnberg). Bild: DM
Therese Meitinger
Transport

Vier Wasserstoff-Lkw beliefern alle 17 Nürnberger dm-Märkte. An dem Leuchtturmprojekt in Sachen emissionsfreier Zustellung sind neben dm-drogerie markt auch die Nürnberger Amm Spedition und der dänische Transportdienstleister DSV beteiligt. Die Lkw vom Typ „XCIENT Fuel Cell 6x2“ des südkoreanischen Herstellers Hyundai verfügen über eine maximale Reichweite von 400 Kilometern und ein zulässiges Gesamtgewicht von 27,5 Tonnen. Amm hat die vier Fahrzeuge vom Mobilitätsanbieter Hylane gemietet, betankt werden sie im Pilotprojekt über eine Wasserstofftankstelle von H2Mobility im benachbarten Erlangen. Mit dem Pilotprojekt wollen die Projektpartner praktische Erfahrungen für den Einsatz der noch neuen Technologie sammeln, aber auch ein Zeichen setzen.

Der ursprüngliche Impuls kam dabei von der Amm Spedition, die die dm-Märkte in Nordbayern seit mehreren Jahren auf der letzten Meile beliefert – bisher mit Dieselfahrzeugen. Man habe vor zwei Jahren angefangen, sich intensiv mit den Potenzialen von Wasserstoff zu beschäftigen, sagt Stefan Raum, Geschäftsführer der Amm Spedition. „Wir haben als mittelständisches, inhabergeführtes Unternehmen eine Verpflichtung für unsere Nachfolgegeneration, brauchen aber auch eine Vorreiterrolle, da wir mit unserer Branche gerade nicht mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht werden“, so Raum. Als die Spedition mit der Idee für einen Testbetrieb auf dm und deren langjährigen Dienstleistungspartner DSV zutrat, rannte sie offene Türen ein: Beide Unternehmen trieb und treibt die Frage um, wie sich CO2-Emissionen im Transportbereich reduzieren lassen.

„Im Vergleich zu produzierenden Unternehmen besteht unsere Kernleistung im Verteilen der Produkte, weswegen der Transportanteil besonders hoch ist“, erläutert Dr. Michael Sternbeck, verantwortlich für die Transportlogistik bei dm. „Dementsprechend ist der Hebel auch besonders groß, um über die Einflussnahme CO2-Äquivalente zu reduzieren.“

Für Nürnberg als Testgebiet habe man sich deshalb entschieden, weil man in der größten Stadt innerhalb des gemeinsamen Belieferungsgebiets die größten operativen Vorteile gesehen habe: Im Zustellprozess entsteht neben CO2 schließlich auch Lärm sowie eine Feinstaub- und Feinpartikelbelastung – die bei der Zustellung über Wasserstoff-Lkw im Vergleich zu Dieselfahrzeugen jeweils geringer ausfallen. „Aus diesem Grund wirkt der Einsatz von wasserstoffbetriebenen Lkw überproportional stark in belasteten Innenstädten“, erklärt Michael Sternbeck.

Wirtschaftlicher Wasserstoff?

Das Pionierprojekt in Nürnberg soll nun Aufschlüsse darüber geben, wie sich der operative Betrieb für Wasserstoff-Lkw wirtschaftlich gestalten lässt. Dafür ist zunächst ein Beobachtungszeitraum von vier Jahren vorgesehen. Die Kooperationspartner wollen sich regelmäßig zusammensetzen und die Ergebnisse diskutieren. Wenn diese positiv ausfallen, soll das Projekt optimiert und gegebenenfalls auch erweitert werden. Die Unternehmen sehen sich dabei in einer Vorreiterrolle für den Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland und setzen auf das Engagement von Politik und Wirtschaft. Speziell mit Blick auf die Infrastruktur bestehe da noch einiger Nachholbedarf, ist man sich einig. „Je mehr dieses Projekt wahrnehmen und sich auch dafür interessieren, umso einfacher ist es später auch, die Infrastruktur mitzuentwickeln“, so Amm-Geschäftsführer Raum.

„Ohne First Mover wird sich so etwas nicht entwickeln“, sagt auch Christian Bodi, der als Geschäftsführer bei dm den Bereich Logistik verantwortet (siehe auch Interview).

Pilotprojekt mit E-Trucks

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Also alles auf Wasserstoff? Nicht nur, heißt es bei dm. Wasserstoff ist für den Drogeriewarenhändler zwar ein gewichtiger Teil der Nachhaltigkeitsstrategie, aber nicht der einzige. „Wir haben schon seit 2015 einen E-Truck im Einsatz, also zu Zeiten, als es noch gar keine Serienfahrzeuge gab“, erklärt Sternbeck. Aktuell erprobe man – vergleichbar zu dem Wasserstoff-Testbetrieb in Nürnberg – in einer anderen Stadt in einer ähnlichen Größenordnung die Potenziale von E-Trucks. Details dazu sollen zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben werden.

Für die Belieferung der Berliner Innenstadtfilialen hat dm ein Konzept für intermodale Verkehre ausgearbeitet. Es sieht vor, dass Ware per Schiene aus dem brandenburgischen Logistikzentrum Wustermark zur Weiterverteilung in die Stadt gebracht wird. „Bloß haben wir dort noch nicht die entsprechenden Partner für eine Realisierung gefunden“, so Sternbeck. „Aktuell suchen wir noch Verlader, die sich mit uns die Kapazitäten für die Züge teilen möchten.“

Therese Meitinger

Nachgefragt bei Christian Bodi, dm-drogerie markt - „Es wird nicht die eine Lösung geben“

Warum setzt ein Drogeriewarenhändler auf Wasserstoff? Darüber hat LOGISTIK HEUTE mit Christian Bodi, Geschäftsführer bei dm-drogerie markt, gesprochen.

LOGISTIK▶HEUTE◀: Was hat das Wasserstoff-Pilotprojekt in Nürnberg für dm interessant gemacht?

Christian Bodi:Wir als dm sind ein technologieinteressiertes und -offenes Unternehmen. Wenn es relevante neue Technologien gibt, möchten wir daran teilhaben und diese mitgestalten, weil wir glauben, dass wir dort Beiträge liefern können. Für uns als Bereich Logistik ist ein Forschungs- und Entwicklungsetat ein wesentlicher Bestandteil, um uns weiterzuentwickeln.

Was braucht es, um den Einsatz von Wasserstoff in Deutschland voranzubringen?

Ohne First Mover wird sich das Thema nicht entwickeln. Natürlich scheuen einige das Engagement, nichtsdestotrotz muss es eine Kooperation von denjenigen geben, die können und wollen, um dann in eine Branche hinein Akzente zu setzen. Es war wichtig, einen ersten Impuls in Richtung Wasserstoff in Deutschland zu setzen. Ein so großes Logistik- und Transferland mit so vielen Lkw-Kilometern wie Deutschland braucht etwas, das aufzeigt, dass Wasserstoff als Anwendungsmöglichkeit wahrscheinlich sein wird. Und dann müssen die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.

Sehen Sie sich bei dm in der Pflicht, in die Initiative zu gehen?

Wir sehen uns in der Pflicht. Im Jahr 2021 haben wir mit DSV ein royales Commitment, eine Verpflichtungserklärung, im Rahmen eines dänischen Staatsbesuchs in Deutschland unterschrieben. Dies hat zum Ziel, dass wir gemeinsam in Nachhaltigkeitsprojekte investieren und auch forschen. Das Pilotprojekt in Nürnberg ist jetzt ein Projekt von mehreren, das darauf einzahlt. Ich freue mich, zusammen mit Amm und DSV ein Projekt nach einer langen Planungsphase in die Umsetzung gebracht zu haben.

Wo sieht dm wesentliche Hebel für seine Nachhaltigkeitsstrategie im Bereich Logistik?

Aktuell ist für uns ein Mix aus fünf Themen wichtig: Lkw-Auslastung, Wasserstoff, Elektrizität, Bahn und bessere Dieselfahrzeuge. Es wird nicht kurzfristig die eine Lösung geben, die das Ganze klärt, sondern hier gilt es, einen guten Mix zu haben, der deutliche Akzente in Richtung Nachhaltigkeit setzt.

Die Fragen stellte Therese Meitinger.

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Artikel Wasserstoff: Grüner Leuchtturm auf sechs Rädern
Seite 38 bis 0 | Rubrik PROZESSE