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Blockchain-Technologie: Eine dezentrale Datenbank für autorisierte Teilnehmer: Das Scheckheft in der Blockchain

Blockchain gilt als Technologie mit großem Potenzial. Doch wie lassen sich die Vorteile der dezentralen Datenbanken für Supply-Chain-Anwendungen nutzen? Das Elektromobilitätsunternehmen e.GO Mobile entwickelte hierzu seine eigene Methodik.

Die Blockchain-Technologie ermöglicht, für den Kleinwagen e.GO Life eine digitale Fahzeugakte zu führen. Bild: e.GO Mobile
Die Blockchain-Technologie ermöglicht, für den Kleinwagen e.GO Life eine digitale Fahzeugakte zu führen. Bild: e.GO Mobile
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Therese Meitinger
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E ine einheitliche Definition des Begriffs „Blockchain“ existiert derzeit nicht. Es besteht jedoch Übereinstimmung über einige Eigenschaften der Technologie: Eine Blockchain ist eine dezentrale Datenbank. Die darin enthaltenen Daten sind in der Regel nicht an einer zentralen oder einer kleinen Anzahl von verteilten Standorten verfügbar, auf die autorisierte Teilnehmer zugreifen können, sondern vollständig für jeden Teilnehmer in einem Netzwerk von verteilten, dezentralen Einheiten. Die Daten werden in Form von Transaktionen in chronologisch geordneten Datenblöcken gespeichert.

Diese dezentrale Struktur verhindert, dass bei Verlust eines oder mehrerer Netzwerkknoten die gespeicherten Daten dauerhaft verloren gehen – solange mindestens ein Netzwerkknoten intakt bleibt. Die beteiligten Netzknoten synchronisieren kontinuierlich ihren Datenstatus, neue Informationen werden an alle Netzknoten gesendet.

Wesentliches Merkmal in der Datenstruktur der Blockchain-Technologie ist die Verknüpfung einzelner Datenblöcke über Hash-Funktionen: Nachfolgende Blöcke werden in chronologischer Reihenfolge mittels Zeiger verknüpft. Das Ersetzen der einfachen Referenz durch eine kryptografische Hash-Funktion ergibt eine authentifizierte Datenstruktur, die mit ausreichender Wahrscheinlichkeit sicherstellt, dass an den vorherigen Daten keine Manipulation erfolgte.

Auf die Potenziale der Blockchain-Technologie bauen zunehmend auch Unternehmen der Automobilindustrie für interne Zwecke sowie für Kundenapplikationen. So präsentierte etwa BMW in San Francisco die Blockchain-basierte App „VerifyCar“. Die App soll der Manipulation von Kilometerständen vorbeugen. Jedes Auto verfügt durch die App über einen digitalen Ausweis, wodurch eine genauere Auskunft der Kilometerdaten möglich ist. Daimler und VW haben jeweils Blockchain-Lösungen zum SupplyChainManagement vorgestellt.

Suche nach UseCases

Auch die 2015 gegründete e.GO Mobile AG möchte die Blockchain-Technologie für sich nutzen. Das Portfolio des Start-ups im Bereich der Elektromobilität umfasst das „e.GO Kart“, ein elektrischunterstütztes Kart, den „e.GO Life“, ein kleines E-Stadtfahrzeug, sowie den „e.GO Mover“, einen autonom fahrenden Elektro-Kleinbus.

In Sachen Blockchain suchten e.GO Mobile und die Forschungseinrichtung FIR an der RWTH Aachen gemeinsam mögliche UseCases der Technologie im Umfeld des e.GO Life. Ein identifizierter UseCase adressiert die Erhöhung des Restwertes des Autos nach Benutzung oder beim Weiterverkauf des Gebrauchtwagens.

Bereits 1970 beschrieb der spätere Wirtschaftsnobelpreisträger George Arthur Akerlof das Problem des „Market for Lemons“ am Beispiel des Gebrauchtwagens. Dieses beschreibt, vereinfacht gesagt, dass auf einem Markt eine Informationsasymmetrie hinsichtlich der Qualität herrscht: Der Verkäufer kennt die Qualität besser als der Käufer. Der Käufer wird also im Zweifel immer eine geringere Zahlungsbereitschaft aufweisen, da er ihm unbekannte Qualitätsprobleme einpreist. Diese Informationsasymmetrie führt also zu einem Wiederverkaufswert, der unter dem theoretisch –ohne Informationsasymmetrie – erreichbaren Wert liegt. Es darf davon ausgegangen werden, dass schon eine Reduktion der Informationsasymmetrie einen Beitrag leisten würde, um den Wiederverkaufswert zu erhöhen.

Ein probates Mittel, um die feststellbare Qualität zu erhöhen, ist das Führen eines sogenannten Scheckheftes. Die automatische Pflege einer solchen – digitalen – Lebensakte wird sich also schon ex ante positiv in der Bewertung eines Neufahrzeugs widerspiegeln.

e.GO Mobile und das FIR entwickelten daraus einen konkreten UseCase zum automatischen Führen einer digitalen Fahrzeugakte mittels einer Blockchain-Applikation. Zunächst prüften sie, ob der UseCase Relevanz für die Blockchain-Technologie besitzt. Dafür wurde das „Blockchain Use Case Identification Framework“ vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT (Prof. Prinz) herangezogen.

Der Abgleich des UseCases mit dem Framework ergab, dass es möglich ist, eine Art von – aktuell noch nicht vorhandenem – Intermediär zur Verwaltung der Fahrzeugakte zu schaffen. Jedoch technologisch abgesichert, also ohne, dass die Rolle des Intermediärs durch eine Person oder ein Unternehmen ausgefüllt werden muss. Weiter ist es wichtig, dass die Daten der Fahrzeugakte unveränderlich, dauerhaft und transparent abzuspeichern sind. Zudem ist der Prozess überwiegend automatisiert abwickelbar. Dies erlaubt die Schlussfolgerung, dass der UseCase deutlich von der Blockchain-Technologie profitiert.

Agile Prozesse

e.GO Mobile hat individuelle Möglichkeiten und Ansprüche an einen solchen UseCase: Vor dem Hintergrund der limitierten Ressourcen eines Start-ups griffen die Projektpartner etwa auf vorhandene, öffentlich zugängliche Vorarbeiten zurück. Bestehende Daten-Abgriffspunkte wurden für den UseCase wiederverwendet, um den Handlingsaufwand klein zu halten. Im größtenteils agil arbeitenden Unternehmen e.GO Mobile können die Prozesse jedoch schnell geändert werden, was die Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen des Projekts vergrößert. Zudem hat das Unternehmen derzeit ein kleines, klar umrissenes Portfolio. Der Fokus lässt sich daher ohne große Interdependenzen auf den e.GO Life setzen. Auch orientiert sich die Use-Case-Spezifizierung an den Kundenerwartungen nach einem hohen Grad an Innovation und konkretem Mehrwert. Letztlich ergab sich eine gute Passung des Projekts zur Philosophie und den Erwartungen von und an e.GO Mobile.

Die Umsetzung des UseCases erfolgt nun in mehreren Schritten. Am Anfang stand das Aufsetzen einer Software, die Daten aus einer vorhandenen Datenbank, wie etwa einem ERP-System, extrahieren kann, um diese in der Datenstruktur einer Blockchain abzuspeichern. Das ERP-System, das sich bei Änderungen der Datenbank aktiv meldet, triggert das Programm. Um die Entstehung und Übertragung der Daten in Echtzeit zu simulieren, entstand ein weiteres Programm, das die Produktion eines e.GO Life entsprechend des Arbeitsplans simuliert. Die Blockchain wurde zu Testzwecken in einer privaten Cloud gespeichert. Prozessual werden perspektivisch die für die Reparatur des e.GO Life zertifizierten Werkstätten an diese Applikation angeschlossen. Diese sollen Events etwa über den Austausch von Teilen, die Installation von Softwareupdates oder Kilometerstände abspeichern.

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Technologisch werden perspektivisch weitere Full- oder Light-Nodes aufgesetzt beziehungsweise es wird eine Software bereitgestellt, die beim Aufsetzen eines solchen Nodes als Grundlage dienen kann. Dafür ist die Zieladresse der Blockchain-Entstehung noch auf einen offenen Server anzupassen. Wie die Incentivierung zur Partizipation als Netzwerkknoten zu realisieren ist, ist dabei noch offen.

Als zentrale Fragestellung und größter Arbeitsaufwand im Rahmen des Projekts kristallisierte sich die IT-Architektur heraus. Diese teilte sich in die Aspekte der Datenquellen und der Leserechte auf Event-Ebene. Zum Thema der Datenquellen sei beispielhaft genannt, dass die Betriebsdatenerfassung (BDE) problemlos ausgeben kann, an welcher Station gerade etwa eine Batterie verbaut wird. Jedoch wird diese Information aktuell an ein System zurückgemeldet, dem die Information, welches Fahrzeug gerade an welcher Station steht, vorliegt. Daher ist nicht vorgesehen, dass in der BDE diese Information auch vorliegt; entsprechend ist ein einfaches Routing des Events aus der BDE in die Blockchain nicht möglich. Deswegen wurde über einen Umweg die konsolidierte Information (Zeitpunkt des Batterieverbaus und Fahrzeug) aus dem ME-System extrahiert.

In Bezug auf die Leserechte wurde schnell festgestellt, dass einzelne Transaktionen individuell zu verschlüsseln sind. Drei Authentifizierungsstufen wurden identifiziert: Öffentliche Daten: Jede Person, die im Besitz der Adresse (etwa der Fahrzeug-Identifizierungsnummer) ist, kann die enthaltenen Informationen lesen. Verschlüsselte Daten: Die Daten werden so verschlüsselt, dass der Adressat diese sowie neu hinzukommende Daten lesen kann – entweder, indem der Verschlüsselungskey derselbe bleibt, oder indem neue Keys mitgeteilt werden. Interne Daten: Jedes Event wird individuell frei- und der Schlüssel nur bei Bedarf herausgegeben. Ein fundamentales Problem des Projekts kristallisierte sich schnell heraus und ließ sich durch die Leserechte zumindest teilweise lösen: e.GO Mobile ist zwar bereit, auch Daten direkt aus der Produktion für Kunden transparent zu machen. Diese Transparenz kann aber aus zwei Gründen nicht uneingeschränkt auf Daten aus der Lieferkette übertragen werden: Die Zulieferer sind teilweise nicht in der Lage oder nicht bereit Daten so weiterzugeben, wie sie für die Applikation notwendig wären. Die Weitergabe von Zuliefererdaten wäre für e.GO Mobile teilweise geschäftsschädigend, da Betriebsgeheimnisse publik würden.

Externe Partner einbinden

Im Rahmen der Beschäftigung der e.GO Mobile AG mit dem Thema Blockchain war zum einen die Frage entscheidend, ob die potenziellen UseCases für die Blockchain-Technologie geeignet sind. Dabei ließen sich Anwendungsfälle identifizieren, in denen eine Blockchain-Applikation sinnvoll ist. Zum anderen war die Frage nach der Passung des antizipierten UseCases zum individuellen Unternehmen entscheidend. Hierfür ist ein ausreichendes Verständnis von Firmenstrategie und -kultur durch das Projektteam gefragt. Das methodische und technologische Wissen, welches für ein solches Projekt benötigt wird, ist zumeist nicht im Unternehmen vorhanden. Es erscheint auch nicht wirtschaftlich sinnvoll, dieses Wissen für ein solches Projekt aufzubauen. Vielmehr lohnt sich hierexterne Partner einzubinden. tm

Autoren: Prof. Dr. Günther Schuh, Direktor FIR an der RWTH Aachen und CEO e.GO Mobile, David Holtkemper, Gruppenleiter Supply-Chain-Management am FIR an der RWTH Aachen, Maike Schrickel, Research Manager Data Science bei e.GO Mobile.

e.GO Mobile

Die e.GO Mobile AG wurde 2015 von Prof. Dr. Günther Schuh als Hersteller von Elektrofahrzeugen gegründet. Sie ist vor allem für das Lieferfahrzeug StreetScooter bekannt. AmSitz auf dem Campus der RWTH Aachen arbeiten mehr als 450 Mitarbeiter in agilen Teams an verschiedenen Elektrofahrzeugen für den Kurzstreckenverkehr. Für die Serienproduktion nahm die e.GO Mobile AG ihr neues Industrie-4.0-Werk in Aachen-Rothe Erde in Betrieb.

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Artikel Blockchain-Technologie: Eine dezentrale Datenbank für autorisierte Teilnehmer: Das Scheckheft in der Blockchain
Seite 32 bis 34 | Rubrik PROZESSE
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