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Retourenlogistik: gesetzlich verankerte Rücksendegebühr als Maßnahme gegen Rücksendungen

Bei der Frage, wie sich die Retouren im Onlinehandel eindämmen lassen, bringen Bamberger Wissenschaftler unter anderem eine gesetzlich vorgeschriebene Rücksendegebühr ins Spiel.

Geschätzt rund 500 Millionen Artikel wurden 2018 in Deutschland im E-Commerce zurückgeschickt. Bild: Jürgen Fälchle/Fotolia (Montage: Statnik)
Geschätzt rund 500 Millionen Artikel wurden 2018 in Deutschland im E-Commerce zurückgeschickt. Bild: Jürgen Fälchle/Fotolia (Montage: Statnik)
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Sandra Lehmann
Studie

Nach Schätzungen der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg wurden 2018 in Deutschland 490 Millionen Artikel im Onlinehandel zurückgeschickt. Eine niedrige, gesetzlich verankerte Rücksendegebühr könnte helfen, die Rücksendequote von online bestellten Artikeln in Deutschland zu senken und deren negative Auswirkungen in den Griff zu bekommen. Das fand der Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Produktion und Logistik, der Universität Bamberg in einer neuen Studie heraus. Dafür hatte die Forschungsgruppe im August und September 2019 rund 140 deutsche Händler befragt, die ihre Produkte über das Internet verkaufen. Demnach schätzen die Befragten, dass durch eine Gebühr in Höhe von 2,95 Euro pro Sendung etwa 16 Prozent aller Retouren vermieden werden könnten – das betrifft rund 80 Millionen Artikel.

Strategische Gründe

„Die Mehrheit der kleinen und mittelgroßen Händler würde gerne eine Rücksendegebühr erheben. Das lässt allerdings der starke Wettbewerb nicht zu“, erklärte Dr. Björn Asdecker, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre der Uni Bamberg und Leiter der Studie, gegenüber der Presse. „Große Händler verzichten aus strategischen Gründen bewusst auf eine Gebühr, um Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Für diese Unternehmen lohnt sich die kostenlose Rücksendung“, so Asdecker weiter.

Durch eine gesetzliche Verpflichtung würden die gleichen Spielregeln für alle gelten. Die erwarteten Umsatzrückgänge der Händler fallen in einem solchen Szenario laut den Wissenschaftlern deutlich geringer und damit verträglicher aus. Die Studie lege zudem nahe, dass eine Gebühr niedrigere Produktpreise ermöglichen könnte, da momentan Kosten für Retouren im Preis miteinkalkuliert seien. Asdecker zufolge finanzieren im Modell der „kostenlosen Retoure“ Wenig-Retournierer das Verhalten von Viel-Retournierern über höhere Preise mit:

„Eine Rücksendegebühr etabliert demgegenüber das Verursacherprinzip, was grundsätzlich gerechter ist.“ Der Wissenschaftler gibt jedoch auch zu bedenken, dass es für eine ganzheitliche Betrachtung einer solchen Maßnahme noch zu früh sei, „aber aus unserer Sicht lohnt es sich, darüber nachzudenken“. Die Forschungsgruppe Retourenmanagement kündigte auch an, als Nächstes untersuchen zu wollen, wie Rücksendegebühren gestaltet sein könnten, um von den Verbrauchern akzeptiert zu werden.

„Ein großes Potenzial sehen die befragten Teilnehmer künftig in einer funktionierenden Online-Größenberatung und einheitlicheren Größenangaben der Hersteller“, fasste Studienleiter Asdecker weitere Ergebnisse zusammen. Insbesondere die befragten Fashionhändler versprechen sich demnach viel von einer funktionierenden Online-Größenberatung.

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KI soll helfen

Eine Einschätzung, die Asdecker teilt: „Datenanalyse, künstliche Intelligenz und bereits vorhandene Alltagstechnologien wie Handykameras zur Körpervermessung ermöglichen künftig signifikante Einsparpotenziale – sofern die Händler und Kunden die Technologien auch einsetzen.“ Außerdem sei die Angabe der Kleidergröße momentan wenig aussagekräftig, was zu erhöhten Retouren führe. „Hersteller sollten verbindliche, genormte Größenangaben verwenden“, so Asdecker. „Das erfordert eine übergeordnete, gegebenenfalls politisch geführte Koordinationsanstrengung, beispielsweise im Rahmen eines Siegels wie dem ‚grünen Knopf‘.“

Beide Maßnahmen würden die Rücksendungen von Kleidung deutlich reduzieren: Die Forschungsgruppe schätzt, dass auf diese Weise bis zu 25 Prozent der Retouren am Gesamtmarkt eingespart werden könnten, also etwa 120 Millionen Artikel. sln/mp

Kommentar: Retouren: Die Logistik muss ran

Matthias Pieringer, Chefredakteur LOGISTIK HEUTE

Die Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg hat in einer neuen Studie herausgefunden, dass viele Versandhändler sich stark anstrengen, um die artikelbezogenen Retourenquoten zu verringern. Doch das Potenzial der klassischen vorbeugenden Maßnahmen wie bessere Artikelbeschreibungen ist den Erkenntnissen zufolge weitestgehend ausgeschöpft. Aus Sicht der Wissenschaftler sind nun neue Maßnahmen nötig. Als eines dieser Mittel nennen die Forscher eine gesetzlich verankerte Rücksendegebühr. Es ist gut und richtig, dass die Forschungsgruppe Retourenmanagement Ideen wie diese zur Diskussion stellt, um die Rücksendungsberge künftig schrumpfen zu lassen. Doch ob sich eine Retourengebühr per Gesetz sinnvoll umsetzen ließe, erscheint fraglich. Das fängt schon dabei an, wie kontrolliert werden soll, ob die Gebühr korrekt erhoben und nicht durch Schlupflöcher umgangen wird.

Neben technischen Maßnahmen der Händler, etwa bei der exakten Produktdarstellung, muss die Logistik weiter daran arbeiten, die Rücksende- und Aufbereitungsprozesse zu optimieren und möglichst nachhaltig zu gestalten. Rücksendungen gehören zum Geschäftsmodell, zum Service. Das haben die Konsumenten verinnerlicht. Auf ein breites Umdenken der Verbraucher sollte man nicht hoffen.Die Logistik muss ran.

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Artikel Retourenlogistik: gesetzlich verankerte Rücksendegebühr als Maßnahme gegen Rücksendungen
Seite 72 bis 73 | Rubrik PROGNOSEN
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