Logistikimmobilien: Nachhaltig geplant und gebaut

Logistikimmobilienentwickler müssen sowohl beim Retrofit von Bestandsimmobilien als auch bei Neubauten sowie für den Betrieb Umwelt- und Sozialstandards mitdenken. Was es dabei zu beachten gilt.

Logistikimmobilien, die nach Umwelt- und Sozialstandards geplant und betrieben werden, können Nutzern Emissionen und Geld sparen. Bild: DFI
Logistikimmobilien, die nach Umwelt- und Sozialstandards geplant und betrieben werden, können Nutzern Emissionen und Geld sparen. Bild: DFI
Sandra Lehmann
Nachhaltigkeit

Der fortschreitende Klimawandel und die zu erwartende Energieknappheit infolge des Ukraine-Konflikts machen auch vor dem Sektor Logistikimmobilien nicht halt. Trotz nach wie vor riesiger Flächennachfrage und der Notwendigkeit für etliche Unternehmen, immer größere und leistungsfähigere Logistikzentren zu errichten oder Bestandsbauten entsprechend umzurüsten, steht der Bereich vor einer Zeitenwende. Nicht mehr nur der passende Standort in der richtigen Größe mit einer guten Verkehrsanbindung spielen eine Rolle, wenn es um Green- und Brownfieldprojekte geht. Auch die Fragen, wie umweltfreundlich und energieautark diese gebaut, erweitert sowie betrieben werden können und inwieweit neue Anlagen die sozialen Bedürfnisse von Mitarbeitern aufgreifen, müssen bereits bei der Planung einbezogen werden.

„Bei der Entwicklung von Logistikimmobilien steht ein Paradigmenwechsel an – davon sind wir bei DFI Real Estate überzeugt. Klima- und Energiekrise spitzen sich zu, Energieversorgung und -preisentwicklung sind zu unkalkulierbaren Risiken geworden. Das Streben nach einem CO2-neutralen Betrieb, der nur dank Ökostrom oder Ausgleichsmaßnahmen erreicht wird, genügt nicht mehr. Was wir brauchen, sind energieautarke Gebäude, die grundsätzlich klimaneutral und im Idealfall sogar klimapositiv sind“, erläutert Andreas Fleischer, Managing Director DFI Real Estate, gegenüber LOGISTIK HEUTE.

Doch nicht nur gesellschaftliche und wirtschaftliche Gründe treiben diese Entwicklung – auch neue nationale sowie europaweite Gesetzgebungen und Regularien veranlassen Projektplaner, Mieter und Logistikimmobilienentwickler Umwelt- und Sozialkriterien beim Planen und Bauen größere Aufmerksamkeit zu schenken. Zum einen werden die sogenannten ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) im Zuge der EU-Taxonomie künftig für Investoren und damit auch für Projektplaner aus dem Logistikimmobilienbereich einen höheren Stellenwert haben. Zum anderen gilt seit Mai 2021 ein neues Gebäudeenergiegesetz, das bestimmte Vorgaben zur Heizungs- und Klimatechnik sowie zum Wärmedämmstandard und zum Hitzeschutz von Wohn- und Gewerbeimmobilien macht. Zusätzlich sind Besitzer von Neubauten verpflichtet, bestimmte Anteile an regenerativen Energien für das Heizen und Kühlen von Gebäuden zu verwenden.

Lebenszyklus im Blick

Neben einem höheren Wärmerückgewinnungsgrad bei Lüftungsanlagen, dem Einsatz von LEDs zur Beleuchtung sowie der Optimierung und Vernetzung der Gebäudeausrüstung und Leittechnik, muss dazu aus Sicht der Prüforganisation TÜV Süd der gesamte Lebenszyklus einer Immobilie im Blick gehalten werden. Das betrifft unter anderem die eingesetzten Baumaterialien. Wie die TÜV-Süd-Tochterfirma TÜV Süd Advimo in dem 2021 erschienenen Whitepaper „Klimaschutz im Gebäudesektor – Optimierungspotenziale identifizieren und ausschöpfen“ beschreibt, verursachen Beton und Stahl bei einem Neubau rund 30 bis 50 Prozent der über den ganzen Lebenszyklus hinweg ausgestoßenen Emissionen einer Immobilie. Deshalb sollte bei Neubauten der Fokus der Planer insbesondere auf der Materialauswahl liegen.

Ein Grund, weshalb der Jeanshersteller Levi’s bei der Errichtung seines neuen Logistikzentrums in Dorsten im Ruhrgebiet unter anderem auf recyceltes Baumaterial setzt. Die 70.000 Quadratmeter große Anlage, die im April 2024 live gehen soll, ist nach den Kriterien des sogenannten Cradle-to-Cradle-Ansatzes konzipiert, der die Nutzung wiederverwendbarer Materialien, erneuerbarer Energien und gesunder Inhaltsstoffe sowie den Schutz des Wassers ebenso wie soziale Fairness einbezieht.

In diesem Sinne hat der Logistikimmobilienentwickler Delta Development Group, der das Projekt gemeinsam mit Levi’s durchführt, den Beton, der beim Abriss des ehemaligen Bergbauareals am Standort in Dorsten angefallen ist, durch eine Sondergründung mit Intensivverdichtung recycelt und verwendet das so entstandene Material für den Bau des neuen Logistikzentrums wieder. Darüber hinaus planen die Partner, recycelten Stahl und aufbereiteten Kunststoff einzusetzen. Und auch in Sachen Energieversorgung setzt der Bekleidungshersteller auf regenerative Träger statt auf fossile Rohstoffe. So wird die Anlage in Dorsten nach Angaben von Levi’s zukünftig mithilfe einer Geothermieanlage beheizt.

Auch Fiege setzt im Bereich Logistik auf regenerative Energie. So hat der Logistikdienstleister an seinem Standort in Gengenbach im Schwarzwald auf einer Fläche von 6.000 Quadratmetern kürzlich eine Fotovoltaikanlage für den Eigenverbrauch in Betrieb genommen. Bis Ende 2022 soll dem Unternehmen zufolge das komplette Dach der gut 40.000 Quadratmeter großen Logistikimmobilie von unterschiedlichen Betreibern mit PV-Modulen belegt werden. Insgesamt würden am Fiege-Standort in Gengenbach auf diese Weise künftig rund 4.000 Megawattstunden Strom pro Jahr produziert. Das entspreche in etwa dem jährlichen Stromverbrauch von 1.100 Haushalten.

„Fotovoltaikanlagen sind für uns ein sehr wichtiger Baustein im Energiemanagement. Nur so können wir unser klares Ziel verfolgen, so schnell wie möglich ein klimaneutrales Unternehmen zu werden“, sagte Marc Borgmann, Head of Energy Management bei Fiege Real Estate, kürzlich. „Darüber hinaus wird die eigene Produktion von Strom und somit eine unabhängige Energieversorgung wegen der steigenden Strompreise und der angespannten Lage auf dem Energiemarkt aktuell immer bedeutsamer.“

Dass Energie aus Quellen wie Sonne und Wind mehr genutzt wird, liegt aus Sicht des britischen Logistikimmobilienentwicklers Segro jedoch nicht nur in der Hand von Planern, Generalunternehmern und Besitzern. Vor allem die tatsächlichen Nutzer einer Anlage seien hier gefragt.

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„Eine große Herausforderung für den kohlenstoffneutralen Betrieb von Logistikimmobilien ist die Energieversorgung der Mieter. Als Vermieter können wir zwar Vorschläge machen, schlussendlich hängt es aber vom Mieter ab, ob er beispielsweise den Strom der auf den Dächern installierten Solaranlagen abnimmt“, erläutert Carsten Lümkemann, Director Technical Development bei Segro Deutschland. Der Experte verweist auch auf diesen Aspekt: „Der CO2-neutrale Neubau von Logistikimmobilien, der zugleich wirtschaftlich für Vermieter und Mieter attraktiv bleiben muss, ist ohne finanzielle Ausgleichszahlungen für Zertifikate eine große Herausforderung.“

Digital verknüpft

Regenerative Energien zu nutzen ist jedoch nur eine Möglichkeit, Strom und Wärme ressourcenschonend einzusetzen und Geld zu sparen. Eine weitere Maßnahme, so der TÜV Süd, ist es, digitale Technologien einzubinden, um klimapolitische Maßnahmen umzusetzen. Dies gelte insbesondere für Bestandsgebäude. „Denn bis zu 30 Prozent der im Lebenszyklus entstehenden Emissionen stecken aufgrund der ‚grauen Emissionen‘ bereits in den Gebäuden“, macht Yannick Renaud aus dem Bereich Technical Advisory Service von TÜV Süd Advimo, im Rahmen des Whitepapers zum Klimaschutz im Gebäudesektor deutlich.

Auf die Digitalisierung setzt unter anderem der Logistikimmobilienentwickler Four Parx, der für den Betrieb des doppelstöckigen Logistikzentrums „MACH 2“ in Hamburg auf die Lösung „qprem“ der Qprem Qualified Premises GmbH baut. Die Anwendung ermögliche die Verwaltung von Gewerbe- und Industrieimmobilien über eine Softwareplattform und vernetze als digitales Ökosystem mithilfe einer App Menschen, Gebäude sowie angeschlossene Technologien und Systeme. Die Software biete digitale Ein- und Zugangskontrollen, ein Parkraummanagement, Routenführung auf dem Gelände sowie die Bedienung von E-Ladestationen. Zudem kann die Lösung Four Parx zufolge in den Bereichen Energy Management, New Work und Smart Lighting eingesetzt werden. Sandra Lehmann

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Seite 22 bis 23 | Rubrik PROGNOSEN