Lebensmittellogistik: Es ist angerichtet

Rezepte für das Supply Chain Management suchte das LOGISTIK HEUTE-Forum Lebensmittellogistik 2019. Das Lösungsbuffet reichte dabei von nachhaltigen Plattformen bis zu fortgebildeten Kraftfahrern.

 Bild: Therese Meitinger
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Therese Meitinger
Fachforum

Ob zweifelhafte Wurst oder kontaminierte Milchprodukte – die Lebensmittelindustrie produzierte, so hatte man den Eindruck, zuletzt vor allem negative Schlagzeilen. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit: „Jeder negative Vorfall ist einer zu viel. Was gleichwohl zu wenig auffällt, ist, wie viel eigentlich gut läuft“, verwies etwa Moderator und LOGISTIK HEUTE-Chefredakteur Matthias Pieringer auf der LOGISTIK HEUTE-Veranstaltung Lebensmittellogistik auf die Leistungsfähigkeit des Bereichs.

Das Fachforum, das am 17. und 18. Oktober in Mannheim stattfand, hatte sich unter dem Motto „Rezepte für das Supply Chain Management“ einen anderen, praktischeren Fokus vorgenommen: Es widmete sich der Frage, wie sich Qualität, Rückverfolgbarkeit, Sicherheit und Effizienz in der Lieferkette gewährleisten lassen. Wie muss das SCM aufgestellt sein, um der wichtiger werdenden Forderung der Verbraucher nach Nachhaltigkeit gerecht zu werden?

Olaf Kroh, Leiter interne Projekte bei der Römerwall Naturbrunnen- und Getränke GmbH, berichtete, wie der Mineralwasser- und Softdrinkhersteller seine Logistik neu organisierte (siehe LOGISTIK HEUTE 10/2019, S. 44). So waren Produktion und Logistik am Standort Duisburg-Walsum mit der steigenden Nachfrage in die Breite gewachsen, was immer längere Staplerwege nach sich zog. „Unsere Effizienz nahm pro Jahr um sieben Prozent ab“, erläuterte Kroh. Besonders die für Getränketypischen saisonalen Spitzen stellten die Logistik regelmäßig vor eine Belastungsprobe.

Der Relaunch wurde um ein zentrales Hochregallager mit einer Kapazität von 52.592 Paletten konzipiert, das SSI Schäfer als Generalunternehmer umsetzte. 20 Regalbediengeräte und zwei elektrische Hängebahnen als Zubringer erhöhten den Warenumschlag deutlich. Auch die integrierte effiziente Seitenverladung zahlte darauf ein. Und über kontinuierliches Tracking & Tracing des Leerguts an den Linien wurde eine präzisere Steuerung des Warenstroms möglich. „Wir haben den Return on Invest auf zehn Jahre angesetzt“, ordnete Olaf Kroh das ambitionierte Projekt auf dem Forum in Mannheim ein.

Lieferkette in Gefahr

„Der Lkw-Fahrermangel gefährdet zunehmend die Lieferkette“, brachte Raik Spengler, Leiter der Fahrer-Akademie der Versmolder Nagel-Group, ein altbekanntes Problem auf den Punkt. Angesichts der demografischen Entwicklung und deswenig attraktiven Images des Berufsstandesdroht eine Zuspitzung der Situation. Zugleich nehmen die Anforderungen an die Lebensmittel-Supply-Chain zu – von Hygiene über Service bis hin zum CO2-Fußabdruck. „Unsere Aufgabe ist es, die Themen zu bündeln und für Kraftfahrer aufzubereiten“, erklärte Spengler.

Beim auf Lebensmittel spezialisierten Logistikdienstleister Nagel-Group soll das eine eigene Fahrer-Akademie leisten, die die Gewinnung, Betreuung sowie Aus- und Weiterbildung des Fahrpersonals organisiert. Neben einer Website, die eine Bewerbung in drei Minuten erlaubt, gehört auch eine Lkw-Fahrschule in Schwerin dazu, die der Logistikdienstleister übernahm und ausbaute. Jedem Fahrer ist ein Betreuer zugeordnet, der nicht nur die Einarbeitung des Fahrers organisiert, sondern später auch dessen persönlicher Ansprechpartner und Vertrauensperson bleibt.

„Nachhaltigkeit in der Zustellung“ umkreiste Sven Sauerwein, Leiter Logistik Services bei der Transgourmet Central and Eastern Europe GmbH, auf dem LOGISTIK HEUTE-Forum. Der Lebensmittelhändler für Großverbraucher stellte 2017 sein Nutzfahrzeugkonzept auf den Prüfstand. Das Ergebnis: „Unsere Fahrzeuge waren zu hoch, zu groß, zu schwer“, so Sauerwein. In der Folge kaufte das Unternehmen, das vorwiegend mit eigener Flotte liefert, statt der bisher üblichen 18-Tonner 16-Tonnen-Nutzfahrzeuge mit vergleichbarer Nutzlast. Dass die Geschwindigkeit aller Lkw auf 82km/h gedrosselt wurde, spart zusätzlich Kraftstoff. Eine maximale Lkw-Gesamthöhe von 3,50 Meter ermöglicht nun eine flexiblere Streckenführung, da das Umfahren von Brücken entfällt.

Dass auch kleine Maßnahmen nachhaltige Folgen haben können, zeigte die neue Reifenstrategie des Unternehmens: Früher wurde an jedem Lkw ein Gestell mit einem Ersatzreifen befestigt, der in vielen Fällen nach Jahren ungenutzt zu entsorgen war. Anstelle des gewichtigen Zusatzballastes trat die Einlagerung der Reifen beim Servicepartner Michelin – und eingesparter Kraftstoff. Darüber hinaus investiert Transgourmet in alternative Antriebskonzepte wie CNG-Lkw, StreetScooter, Lastenfahrräder und perspektivisch auch Wasserstoff.

Alle Prozesse abbilden

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„Getränkeeinkauf an sich ist langweilig“, schilderte Titus Braden, Head of Operations bei der Münsteraner Flaschenpost SE, die Geschäftsgrundlage des Start-ups. Denn statt sich durchschnittlich 40 Stunden pro Jahr im Getränkemarkt zu langweilen, treten gestresste Großstädter diese Aufgabe gern an einen Lieferservice ab. Das vor allem in westdeutschen Ballungsräumen aktive Start-up Flaschenpost hat dazu eine Onlineplattform entwickelt, die eine Lieferung binnen 120 Minuten nach Bestellungseingang garantiert.

„Ein Schlüsselfaktor für die Umsetzung ist, dass wir alle Prozesse selbst abbilden“, sagte Braden. Der proprietären, schlank gehaltenen Bestell-, ERP- und Routenplanungssoftware entsprechen die Logistik-Hubs – 6.000 bis 10.000 Quadratmeter große Logistikflächen, die von Flaschenpost betrieben werden und rund 1.000 Artikel auf Lager halten. Dass zudem das Lieferpersonal bei dem Unternehmen angestellt ist, soll auf die emotionale Kundenbindung einzahlen.

Lebensmittelkonsum neu zu denken ist das Ziel von Lea Zerbst, Projektentwicklerin bei der Onlineplattform Pielers GmbH aus Geestland bei Bremerhaven. „Uns geht es um mehr Gerechtigkeit für die Ursprungsbetriebe“, erklärte Zerbst. Das Onlineportal Pielers bietet regionalen bäuerlichen Betrieben die Möglichkeit, direkt mit Interessenten in Kontakt zu treten und den Kauf von Milch oder Gojibeeren über das cloudbasierte Warenwirtschaftssystem abzuwickeln.

Eine Besonderheit ist dabei die Subdomain „Markterei Bremerhaven“, eine Art digitaler Marktplatz, auf dem sich 15 örtliche Lieferanten zusammengeschlossen haben. Das Fulfillment übernimmt ein regionaler Logistikdienstleister, der die Ware bei den Erzeugern abholt, im Depot nach automatisiert erstellten Packlisten kommissioniert und an die Endkunden ausliefert. Das Prinzip, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten, gilt auch hier: So holen für die Zeitungsverteilung zuständige Nachtkurierdienste die Ware beim Erzeuger ab – und bündeln so Verkehre.

Aus Mannheim berichtet Therese Meitinger.

LOGISTIK HEUTE zu Besuch im Lekkerland Logistikzentrum Mannheim: Kopflager mit allen Temperaturzonen

„Your most convenient partner“ will der auf Unterwegskonsum spezialisierte Großhändler Lekkerland sein. Marc-Stephan Heinsen, Vice President Operations bei der Lekkerland Deutschland GmbH & Co. KG, übersetzt das frei mit: „Wir machen es unseren Kunden einfach und sie erfolgreich.“ Was das für die Logistik dahinter bedeutet, davon konnten sich die Teilnehmer des LOGISTIK HEUTE-Forums im Lekkerland-Logistikzentrum Mannheim in Bobenheim-Roxheim einen Eindruck verschaffen.

Der Standort mit einer Lagerfläche von rund 22.000 Quadratmetern ist eines von deutschlandweit fünf Kopflagern, das mit rund 7.500 Artikeln das gesamte Sortiment über alle Temperaturbereiche hinweg bevorratet. Neben einem Food- und Tabakbereich verfügt das 2016 errichtete Logistikzentrum über ein Frische- und ein Tiefkühlsegment, aus denen auch zwei sogenannte Fußlager bei Stuttgart und Freiburg versorgt werden.

Der Transport der Artikel zu den Fußlagern und den etwa 4.000 Kunden im Liefergebiet erfolgt unter anderem mit den Mehrkammer-Lkw der Lekkerland-Flotte, die mit drei unabhängig voneinander temperierten, flexibel anpassbaren Laderäumen ausgestattet sind. „Indem wir Produkte aus drei Temperaturzonen zeitgleich liefern, entstehen Bündelungseffekte, sodass der administrative Aufwand für Shops sinkt“, erklärt Marc-Stephan Heinsen.

Effizienzeffekte ergeben sich in Bobenheim-Roxheim auch aus der Kommissionierung im Pick-by-Voice-Verfahren. Mittels rund 20 Sprachbefehlen erhalten Kommissionierer Informationen über die zu bearbeitenden Positionen und die dafür benötigten Hilfsmittel. Die Fehlerquote liegt seit der Einführung bei unter einem Prozent.tm

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Seite 56 bis 57 | Rubrik PROGNOSEN