Redaktion (allg.)

Logistiker im Auslandseinsatz werden für Unternehmen immer wichtiger, um erfolgreich zu sein. Neue Eindrücke erweitern den Horizont und bereichern die Arbeit, können aber auch ­überfordern. Denn interkulturelle Kommunikation ist für viele eine Herausforderung.
Gut, dass es Stefanie Bergmann gibt. Wenn Philippe Gossart die richtigen deutschen Worte fehlen, springt seine charmante Assistentin für ihn ein und vollendet den Satz. Der Franzose leitet seit Januar das Logistikzentrum für Ersatzteile des französischen Automobilkonzerns PSA in Rieste, kurz hinter Osnabrück. Von Paris mitten in die deutsche Provinz ging es für den Logistikmanager und seine Familie. Beim Rundgang durchs Lager grüßt Philippe Gossart seine Mitarbeiter auf Deutsch und die vereinzelten französischen Kollegen mit einem „Salut“. Die Mitarbeiter aus dem Nachbarland helfen beim Anlauf des Logistikzentrums und der Standardisierung der Prozesse. „Nicht mehr lange, denn in einigen Wochen bin ich alleine; die französischen Kollegen kehren zurück in die Heimat. Dann bin ich der einzige Franzose hier“, sagt Gossart.
Der Logistikleiter verspricht sich von seinem Engagement im Ausland einen Schub für seine Karriere. Auch seine Deutschkenntnisse will er verbessern.

Logistik ohne Internationalität funktioniert nicht. Die Branche lebt von einer globalisierten Welt. Wertschöpfungsketten verlaufen rund um den Globus bis nach Europa. Unternehmen, die daran verdienen möchten, müssen vor Ort sein und brauchen dafür gute Mitarbeiter. Logistiker im Auslandseinsatz werden immer wichtiger. Viele profitieren von ihren Auslandserfahrungen und bringen sich mit neuen Ideen ins Unternehmen ein. Ein Engagement in Übersee verlangt von den Logistikmitarbeitern interkulturelle Kommunikation, Flexibilität und Kreativität. Vieles davon vermitteln deutsche Ausbildungswege nicht.

Eine Erfahrung, die auch Ingo Franke in China gemacht hat. Der Ingenieur für Transportwesen und Logistik hat für das deutsche Handelsunternehmen Metro Cash & Carry vor Ort ein Team aufgebaut, das Logistikverhandlungen mit Lieferanten führt. „Zu meiner Zeit war das Studium noch nicht international ausgerichtet“, erinnert sich der 45-Jährige. Aus seiner Sicht ist die Mentalität des Einzelnen entscheidend für den Erfolg im Ausland. „Wichtig ist Offenheit für Neues und Motivation für die berufliche Herausforderung“, erklärt Franke.


Chinesisch ohne Worte
Trotz hoher Motivation musste sich der Deutsche der chinesischen Sprache geschlagen geben. „Ich habe das Experiment nach einem Jahr beendet“, so Franke. Vor allem die Betonung der Wörter erschwerte das Lernen. Franke konzentrierte sich auf Vokabeln für den Alltag. „Es war interessant zu sehen, dass man den Großteil eines Gesprächs auch versteht, wenn man sich, abgesehen von einigen Schlüsselvokabeln, auf die non-verbale Sprache konzentriert“, erinnert sich der Ingenieur. Menschenkenntnis vorausgesetzt.

Entscheidend für den Erfolg vor Ort war aber aus Sicht des Metro-Manns auch das internationale Umfeld in Shanghai. Die Mitarbeiter vor Ort sprachen Englisch und erleichterten die Kommunika-tion. Trotzdem waren Missverständnisse nicht ausgeschlossen. „Um Konflikte zu vermeiden, sollte man manchmal Fünfe gerade sein lassen“, meint Franke.

Zu Problemen kam es aus Sicht des Deutschen oft dann, wenn die chinesischen Kollegen selbstständig komplexere Projekte realisieren sollten. „Viele Mitarbeiter sind es gewohnt, konkrete Anweisungen vom Chef zu bekommen und umzusetzen“, erläutert Franke und begründet dieses mit einer anderen Lernphilosophie im Reich der Mitte.

Die Metro AG unterstützt ihre Mitarbeiter und deren Familien bei Auslandsentsendungen. Interkulturelles Training gehört ebenso dazu, wie die Unterstützung vor Ort bei allen behördlichen, steuerlichen und sonstigen verwaltungstechnischen Vorgängen. „Eigentlich muss der Mitarbeiter nur noch arbeiten und kann, sofern er Zeit hat, die Besonderheiten des Landes genießen“, erklärt Franke.


Interkulturelles Training
Im Gegensatz zu anderen Kollegen absolvierte Ingo Franke sein interkulturelles Training während eines Deutschlandaufenthaltes. So konnte der Logistikmanager im Nachgang Situationen und Reaktionen von Chinesen besser nachvollziehen. Mitgenommen aus China hat er die Arbeitsdynamik, die ihn vor Ort begeisterte, und eine einfache Regel: „Manchmal lohnt sich auch der Sprung ins kalte Wasser, anstatt nach einem bequemen Weg zu suchen.“

Für Ingo Franke steht fest: Sein Engagement in China war eine Bereicherung nicht nur beruflich, sondern auch privat.

Für Philippe Gossarts Familie ist der Deutschlandaufenthalt ein kleines Abenteuer. Seine Frau spricht kein Wort Deutsch und für den dreijährigen Sohn ist die Sprachbarriere im Kindergarten frustrierend. Aber der Vater ist optimistisch.

Bernd K. Zeutschel, Geschäftsführer des Global Competence Forums, das Seminare für bevorstehende Auslandseinsätze anbietet, kennt die Problematik: „Selbst für erfahrene Führungskräfte stellt die Entsendung oftmals eine besondere Herausforderung dar. Der Verlust des bekannten Rahmens kann selbst auf internationalem Parkett versierte Manager verunsichern. Denn nachdem die erste Faszination abgeklungen ist, folgt fast unvermeidlich der Kulturschock. Dieser fällt zumeist dann besonders hart aus, wenn die Familie oder der Partner mitreist.“ Ebenso wie Ingo Franke von Metro in China, empfindet Philippe Gossart sein Auslandsengagement als Bereicherung und große Chance, Kultur, Sprache und Lebensgewohnheiten in Deutschland kennenzulernen. Lediglich die deutschen Dialekte im Lager sorgen bei ihm hin und wieder für sprachliche Verwirrung. Aber zum Glück gibt es ja Frau Bergmann, die fleißig übersetzt. In den Prozessen unterscheidet sich das deutsche Lager nicht von den französischen Pendants. Neu ist für Gossart die Leitung eines rein deutschen Teams. „Deutsche Mitarbeiter achten viel genauer auf ihre Position im Unternehmen“, erklärt der Franzose. Personalgespräche mit Mitarbeitern anderer Kulturen fordern viel Verständnis vom Chef. Interkulturelles Management ist immer mehr gefragt.

Das registriert auch Prof. Dr. Ralf Elbert von der Technischen Universität Berlin. Er lehrt sei Anfang des Jahres am von DB Schenker ­finanzierten Lehrstuhl für Logistikdienstleistungen und Transport. „In den Vorlesungsverzeichnissen für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Logistik finden sich immer auch Vorlesungen und Seminare zur interkulturellen Kommunikation und Führung von Mitarbeitern in Deutschland, aber auch im Ausland“, so Elbert. Eine Verpflichtung zur Teilnahme gibt es aber nicht. „Es liegt immer am Studenten, wo er seine persönlichen Schwerpunkte setzen möchte“, erklärt Elbert. Trotzdem sieht er seine Universität international gut aufgestellt. Viele Studenten würden im Ausland Praktika absolvieren oder belegten bei Partner-Universitäten Seminare. „An der TU Berlin haben wir ein sehr internationales Publikum unter den Lernenden, aber auch unter den Lehrenden“, freut sich Elbert.

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Erfolg durch Flexibilität ­
Weder ein Betriebswirtschafts- noch ein Auslandsstudium konnte Fabian Witt bei seinem Vorstellungsgespräch beim Spielzeughersteller Lego in München vorweisen. „Alle Auslandsprogramme von Erasmus über Partneruniversitäten hielten aus meiner Sicht nicht das, was sie versprachen“, so Witt. Trotzdem entschieden sich die Dänen mit den berühmten Bausteinen für den jungen, kommunikativen Soziologen, der heute das Market Wheel Deutschland, Österreich und Schweiz mitverantwortet. Seine Aufgaben umfassen die Entwicklung maßgeschneiderter Distributions-Setups, die Optimierung von Prozessen und das Stakeholder Management. „Ich war der einzige Nicht-Betriebswirtschaftsabsolvent beim Vorstellungsgespräch“, erinnert sich der Münchener, der seit einigen Monaten in Billund, Dänemark, lebt. Zuerst in einer Lego-Wohngemeinschaft, jetzt in eigener Wohnung und mit deutscher Freundin etwas außerhalb.

Für Lego ist die Persönlichkeit und die soziale Kompetenz eines Bewerbers ein wichtiges Kriterium bei der Einstellung. Ganz ohne Logistikwissen startete Witt seine Karriere bei Lego jedoch nicht. Vor seinem Studium absolvierte er eine Lehre als Speditionskaufmann bei Schenker, entschied sich dann für ein geisteswissenschaftliches Studium, arbeitete in einer Unternehmensberatung und wechselte dann zu Lego. „Das Thema Logistik zog sich trotz themenfremden Studiums wie ein roter Faden durch meinen Lebenslauf“, erzählt Witt. Den Schritt nach Dänemark hat er nicht bereut.

„Lego denkt international. Ich finde es spannend, mit vielen Kulturen und Nationen im Team zusammenzuarbeiten. Das bereichert meine Arbeit“, sagt Witt, der am Nachmittag, unterstützt vom Arbeitgeber, die Schulbank drückt und Dänisch lernt. In seinem individuellen Entwicklungsplan, der mit dem Vorgesetzten ausgearbeitet wird, steht das Erlernen der Sprache ganz oben.

Unternehmenssprache in Billund ist zwar Englisch, doch die Dänen am Hauptsitz schätzen einen Kollegen mit guten Dänischkenntnissen. Außerdem helfe die Sprache bei der Integration in die Gesellschaft, so Witt. Und diese ist schwierig, denn viele Dänen verbringen ihre Freizeit zu Hause bei den Familien. „Eine Biergartenkultur existiert in Dänemark nicht. Man trifft sich zu Hause“, erklärt der Deutsche. Auch die Arbeitszeiten sind auf die familiären Situationen flexibel angepasst. „Die meisten Kollegen gehen um 16 Uhr nach Hause, spielen mit ihren Kindern, kümmern sich um die Hausarbeit und setzen sich ab 20 Uhr vor den heimischen Computer und arbeiten von dort für Lego.“ Die bewegliche Arbeitszeit ist ein Erfolgsfaktor des Unternehmens Lego. Die Internetkosten übernimmt der Arbeitgeber.

Flache Hierarchien, ein entspannter Dress-Code und einfache Kommunikationswege erleichtern die Arbeit, fördern die Motivation der Mitarbeiter und steigern die Identifikation mit dem Unternehmen. Vielleicht sind das auch Gründe für die guten Geschäftszahlen, die Lego für 2008 präsentierte. Der Umsatz stieg um 18,7 Prozent auf 9,5 Mrd. Dänische Kronen.

Auch Miriam Kneifel zog es früh ins Ausland. Erste Erfahrungen sammelte die 28-Jährige bei DHL Global Forwarding in Charlotte, North Carolina, in den USA. Ihr nächster Auslandseinsatz war Australien. Seit dreieinhalb Jahren arbeitet die Verkehrsfachwirtin in Down Under und möchte die Zeit nicht missen. Die Sprachbarriere ist für die junge Logistikerin kein großes Problem. Englischsprachige Freunde und Bekannte sowie die Erfahrung aus dem USA-Aufenthalt halfen am Anfang. „Es ist wichtig, Geduld zu haben, viel Kontakt zu Native-Speakern zu suchen und einfach sprechen, sprechen, sprechen“, sagt Kneifel. DHL unterstützte seine Mitarbeiterin bei den Visaanträgen sowohl organisatorisch als auch finanziell. Den Umzug auf den neuen Kontinent, über 20 Flugstunden von Deutschland entfernt, zahlte ebenfalls der Logistikdienstleister. Vor Ort ist Miriam Kneifel für den Kundenservice im Bereich Luft- und Seefracht verantwortlich.

Neben der Zeitdifferenz, die den Kontakt zum Rest der Welt erschwerte, ist vor allem die Freizeitmentalität der Australier neu und gewöhnungsbedürftig für die junge Deutsche. „Die Australier besinnen sich mehr auf die Freizeit, als man es aus Deutschland gewohnt ist. Vor allem das Wochenende ist noch heilig. Selbst in der Logistikwelt ist ein 24-Stunden-Service, sieben Tage in der Woche, nicht selbstverständlich“, erklärt Kneifel.

Trotzdem würden die Australier ihre Arbeit sehr ernst nehmen, so die DHL-Mitarbeiterin. Weniger Urlaubstage, die man bei Krankheit als „sick days“ einsetzen muss, gehören auch zur Arbeitsrealität in Australien. Wenn Miriam Kneifel noch einmal ins Ausland entsendet würde, dann stünden Kanada oder die USA ganz oben auf ihrer Wunschliste.


Berufliche ­Bereicherung

Ihr Tipp an Logistiker, die den Schritt in die Ferne wagen: „Unser Organisationstalent ist sicherlich von Vorteil und planen macht durchaus Sinn. Man sollte jedoch flexibel bleiben und sich auf neue Situationen einstellen und umdenken können.“

Umdenken musste auch Philippe Gossart. Der Franzose trennt seit Kurzem aufmerksam seinen Hausmüll, achtet im Straßenverkehr viel mehr auf Radfahrer als in Frankreich und sein Abendessen beginnt jetzt meistens früher als in der Heimat, wo viele Familien erst gegen 21 Uhr mit dem Essen beginnen. Nichts Dramatisches, aber trotzdem neu und ungewohnt.

Nicht jeder Mitarbeiter ist für einen Arbeitseinsatz im Ausland wirklich geeignet. Missverständnisse vor Ort, fehlende Akzeptanz der Mitarbeiter und wenige soziale Kontakte können schnell für Heimweh sorgen. Es ist auch Aufgabe der Unternehmen, im Vorfeld mit den Mitarbeitern Stärken und Schwächen zu besprechen und im Zweifel vom Auslandseinsatz abzuraten. Wer sich auf das Abenteuer Ausland einlässt, macht Erfahrungen fürs Leben, die das Privat- und Berufsleben bereichern.

„In der Vergangenheit wurde viel über die europäische und weltweite Integration gesprochen. Wir, die heutige Generation, haben jetzt die Chance, die Ergebnisse dieser Verhandlungen und Gespräche zu nutzen“, sagt Prof. Elbert und fordert mehr internationalen Austausch und Kommunikation. we

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Artikel Offen für den Kulturschock - Logistiker im Auslandseinsatz
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