Gastkommentar - Risikomanagement: Stresstest für die Lieferkette

Prof. Dr. Michael Henke, Institutsleiter am Fraunhofer IML und Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmenslogistik der TU Dortmund Bild: Fraunhofer IML
Prof. Dr. Michael Henke, Institutsleiter am Fraunhofer IML und Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmenslogistik der TU Dortmund Bild: Fraunhofer IML
Redaktion (allg.)

Die Corona-Krise hat unseren Lieferketten ordentlich zugesetzt. Kein Wunder: So etwas wie die aktuelle Pandemie hatten wohl nur die wenigsten Unternehmen auf ihrem Risiko-Radar – und deshalb auch keine Pläne für ein entsprechendes Risikomanagement in der Schublade. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass wir immer wieder zwar sehr viele Risiken identifizieren konnten, aber leider auch immer wieder mit einigen konfrontiert wurden, die zwar theoretisch bekannt waren, mit denen aber konkret kein Mensch rechnete.

Umso wichtiger ist es für Unternehmen, ein Risikomanagement bereitzuhalten, das – auch nur theoretisch – drohende Risiken frühzeitig, umfänglich und zuverlässig identifizieren, analysieren und bewerten kann. Diesen Dreiklang aus Risiko-Identifizierung, -Analyse und -Bewertung gibt es schon lange und der Ruf nach einem Supply Chain Risk Management ist auch keineswegs neu. Doch ernsthafte Bemühungen sind in der Zwischenzeit immer wieder an Stolpersteinen wie zum Beispiel der mangelnden Transparenz in den weltweit verzweigten Wertschöpfungsnetzwerken gescheitert. Es kam und kommt – unabhängig von Corona – immer wieder vor, dass eine Supply Chain zu einem Zeitpunkt und an einer Stelle unterbrochen wird, die das Risiko-Radar mangels Transparenz nicht oder zu spät auf dem Schirm hatte. Dann kann man nur noch reagieren.

Wir täten also gut daran uns zu erinnern, was alles zu einem proaktiven Supply Chain Risk Management gehört, und das ist aktuell vor allem, die Versorgungsketten und Wertschöpfungsnetzwerke resilienter zu machen. Was wir dafür initial brauchen, ist Transparenz – eine absolut notwendige Bedingung, für deren Erfüllung wir heute schon die nötigen Technologien in Händen halten, die uns diese durchgängige Transparenz nahezu in Echtzeit ermögli-chen. Die oft zitierte Blockchain beispielsweise kann exakt diese Transparenz schaffen.

Als grundsätzlich optimistischer Mensch sage ich: Wir werden diese durchgängige Transparenz erreichen, und das nicht nur, weil die Technologien dafür bereitstehen. Sondern auch, weil die aktuelle Krise unsere Sichtweise auf die dringende Notwendigkeit eines zuverlässigen Supply Chain Risk Managements noch geschärft hat. Selbst die Einführung eines solchen proaktiven Risikomanagements wird uns nicht für alle Zeiten Krisensicherheit verleihen. Aber gerade deshalb wäre es für alle Beteiligten sinnvoll und nützlich, wenn wir noch vor der nächsten großen Welle ein funktionierendes proaktives Supply Chain Risk Management einführen könnten, das diesen Namen auch verdient.

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Artikel Gastkommentar - Risikomanagement: Stresstest für die Lieferkette
Seite 8 | Rubrik MARKTGESCHEHEN