Logistik-Abkürzungen
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Wie ein intelligentes Pricing hilft, die Ertragssituation von Logistikdienstleistern nachhaltig zu verbessern
Autor:
Dr. Thorsten Klaas,
Consultant bei Simon - Kucher & Partners, Strategy & Marketing Consultants, Bonn.
Denkt man an die klassische Logistikdefinition - bedarfsgerechte Versorgung eines Empfangspunktes mit den richtigen Produkten in der richtigen Menge, in der richtigen Qualität, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und all dies zu den dafür minimalen Kosten - so ist die Logistik traditionell eng mit dem Effizienzgedanken, d.h. mit der Minimierung von Kosten verbunden. Es verwundert also kaum, wenn gerade die Kostenorientierung bei vielen Logistikunternehmen wie Speditionen, Luftfracht-Carriern oder KEP-Dienstleistern tief verankert ist.
Diese Auffassung zeigt sich nicht zuletzt im tagtäglichen Geschäft, in dem vor dem Hintergrund eines stetig steigenden Preis- und Kostendrucks das konsequente Ausschöpfen von Kostensenkungspotenzialen als Stellhebel zur Steigerung des Unternehmensprofits einen hohen Stellenwert genießt. So sinnvoll und notwendig die Kostenorientierung aus betriebswirtschaftlicher Sicht zweifelsfrei ist und auch in Zukunft sein wird, sie ist nur dann ein dauerhaft wirksamer Ansatzpunkt zur Ertragssteigerung, solange die erreichte operative Effizienzsteigerung nicht sofort in Form von Preissenkungen an den Markt weitergegeben werden müssen.
Gefährlich ist in diesem Zusammenhang beispielsweise die gängige Praxis einiger Speditionen, ihre Kostenstrukturen offenzulegen und als Argumentationsgrundlage bei Preisverhandlungen insbesondere mit Key-Accounts ins Feld zu führen. Gefährlich deshalb, weil im Zuge dieser "gläsernen Cost-Plus-Kalkulation" das Risiko beträchtlich ansteigt, die aus den Kostenvorteilen erzielbaren Ertragspotenziale schnell wieder zu verspielen.
Spätestens bei diesem Problem kommt das Pricing als weiterer wichtiger Profitstellhebel ins Spiel, der von vielen Unternehmen in der Logistikbranche allerdings noch immer weitgehend unterschätzt wird. Dies überrascht, denn nicht nur eine Optimierung der Kostensituation beeinflusst den Gewinn. Auch ein intelligentes Fine-Tuning des Pricing trägt dazu bei, die Unternehmenserträge zu steigern. Darüber hinaus kann ein optimiertes Pricing sogar dabei helfen, das Profitpotenzial der oft mühsam erzielten Kosteneinsparungen nachhaltig abzusichern.
Die Möglichkeiten zur Preisoptimierung in der Logistik sind vielfältig. Erfolgversprechende Ansatzpunkte sind beispielsweise die Optimierung von Preisstrukturen, die Einführung von Discountrichtlinien, die Verbesserung der vertrieblichen Preisdurchsetzung sowie die Preisoptimierung bei Premiumprodukten.
Optimierung von Preisstrukturen
Preisstrukturen in der Logistik berücksichtigen üblicherweise Dimensionen wie Gewicht, Volumen, Entfernung oder Produkt. Die besondere Herausforderung bei der Gestaltung eines Tarifsystems liegt dabei in der Auswahl der preisrelevanten Dimensionen der Tarifklassen und der Bestimmung der ertragsoptimalen Preise je Klasse. Speditionen beispielsweise orientieren sich bei der Festlegung ihrer Haustarife in der Regel an der Preisempfehlung des BSL, die nach Entfernungs- und Gewichtsklassen differenziert sowie Empfehlungen für Nebengebühren enthält.
Eine Überprüfung bestehender Tarifsysteme zeigt allerdings fast immer ein Ertragssteigerungspotenzial auf, denn in den seltensten Fällen sind sie das Ergebnis eines systematischen, auf die jeweilige Unternehmenssituation zugeschnittenen Analyse- und Optimierungsprozesses. So konnte beispielsweise bei einem europäischen Speditionsunternehmen mithilfe einer Clusteranalyse auf der Basis der Dimensionen Marktpreisniveau, Kosten und Entfernung eine profitoptimale Zonenstruktur entwickelt werden, was zu einer Steigerung der Umsatzrendite von etwa 4 Prozent führte.
Einführung von Discountrichtlinien und Verbesserung der Preisdurchsetzung
Grundsätzlich sollte für die Gewährung von Preisnachlässen gelten: "Kein Rabatt ohne Grund!" Die eigentliche Aufgabe besteht somit in der Bestimmung geeigneter Richtlinien zur Vergabe von Rabatten (Rabattgrund und Rabatthöhe). Dabei ist eines der größten Eigenarten des Logistikmarktes, dass es in vielen Unternehmen an eben solchen Richtlinien mangelt.
Sollte die Höhe der Rabatte vom Sendungsvolumen, vom versendeten Gesamtgewicht oder eher vom voraussichtlichen Umsatz eines Kunden pro Zeiteinheit abhängen? Ist es sinnvoll, Preisnachlässe in Abhängigkeit von der Destination der Sendung zu gewähren?
Zumeist sind bei Speditionen bereits solche Kriterien, aufgrund derer die Discounts festgelegt werden, nicht definiert - von entsprechenden Vorgaben für Rabatthöhen ganz zu schweigen. Die Erfahrung zeigt weiterhin, dass in der Branche offizielle Listenpreise nur selten genutzt werden, sondern statt dessen Preise individuell zwischen Vertriebsmitarbeitern und Kunden ausgehandelt werden. Bei KEP-Dienstleistern beispielsweise befinden sich im Schnitt etwa 70 Prozent aller am Markt realisierten Preise unterhalb des offiziell vorgegebenen Preisniveaus. Offizielle Preislisten haben dabei nur noch Orientierungscharakter und de facto führt die unsystematische Vergabe von Rabatten zu einem Wildwuchs von Preisen, die vor allem eines sind - zu niedrig.
Dieses "Verschenken" von Geld lässt sich beseitigen, indem klare Richtlinien für die Rabattgewährung und ein zielgerichtetes Preiscontrolling im Unternehmen implementiert werden. Die Kalkulation von kostenbasierten Preisuntergrenzen zusammen mit auftragstypabhängigen Rabattempfehlungen beispielsweise hilft, unprofitable Geschäfte zu vermeiden, ohne zugleich die niedrig rabattierten Preise hochprofitabler Sendungen zu beeinflussen.
Die Anwendung der Richtlinien beispielsweise in Form eines EDV-gestützten Vertriebsinformationstools versetzt die Vertriebsmitarbeiter schließlich in die Lage, in der Angebotsphase Kundenanfragen kurzfristig, präzise und vor allem profitabel auf der Basis klar definierter Rabattspielräume und Preisuntergrenzen zu kalkulieren. Neben der verbesserten Preisdurchsetzung erlaubt ein solches Tool auch ein effizientes Preiscontrolling, da das Rabattverhalten der Vertriebsmitarbeiter wie auch das Sendungsverhalten der Kunden erfasst und gemonitort werden können.
Im Rahmen einer Nachkalkulation werden dann beispielsweise versprochene und tatsächliche Sendungsvolumina von Kunden abgeglichen - eine für Nachverhandlungen wie auch für zukünftige Geschäftsabschlüsse elementare Informationsbasis weil wertvolle Argumentationsgrundlage. Ein Unternehmen aus dem KEP-Bereich konnte nach der Durchführung entsprechender Maßnahmen bereits nach kurzer Zeit signifikante Profitabilitätssteigerungen verzeichnen.
Preisoptimierung bei Premiumprodukten
Um die Substituierbarkeit im härter werdenden Wettbewerb zu umgehen, hat mittlerweile nahezu jeder Logistikdienstleister sein Standardangebot um Premiumprodukte mit besonderen Service-Extras, wie beispielsweise Express, Over-Night, ergänzt. Von diesen Premiumprodukten wird nicht zuletzt auch ein höherer Gewinnbeitrag erwartet. Das Problem ist jedoch, dass in all den Bemühungen um eine höhere Servicequalität, der Hauptfokus stets auf der Optimierung der Produktleistung gelegen hat. Aspekte des Pricing sind dabei allerdings nahezu vollständig vernachlässigt worden.
Stattdessen entstammen die Preise für Premiumprodukte eher einem Mix aus klassischem Cost-Plus-Denken und intuitiv geprägtem Bauchgefühl. Wichtige Preiskomponenten wie "value-to-customer" und "willlingness-to-pay" wurden bisher nie ermittelt.
Die Herausforderung besteht hierbei darin, die optimale Differenz zwischen dem Preis der Premiumprodukte und dem der Standardprodukte zu bestimmen. Dafür sind detaillierte Nutzenanalysen dahingehend durchzuführen, wie der Kunde die unterschiedlichen Produkteigenschaften wie Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit oder Preis bewertet. Techniken wie Conjoint Measurement sind besonders dazu geeignet, die erforderlichen Informationen zur Ermittlung von Preisbereitschaften zu generieren, um auf deren Basis die profitoptimalen Preisaufschläge für Premiumprodukte festzulegen.
Fazit
Viele Unternehmen in der Logistikbranche lassen beträchtliche Profitchancen ungenutzt, indem sie die Margensteigerungspotenziale des Pricing übersehen und sich ausschließlich auf Kostensenkungen fokussieren. Ein intelligentes Pricing trägt dazu bei, Unternehmenserträge zu steigern und darüber hinaus die aus Kosteneinsparungen erzielten Profitpotenziale nachhaltig abzusichern.
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