Logistiker gefordert: Arbeitsmarktexperten empfehlen Weiterbildung in der Krise: Know-how statt Quick-Wins

Redaktion (allg.)

Arbeitsmarktexperten empfehlen, sich in der Krise weiterzubilden. Auch Logistiker sind gefordert.

Was war die Schulbank doch bequem: Flexible Arbeitszeiten mit viel freier Zeit, nette Kollegen und Kolleginnen in den Seminaren, Hörsälen und Mensen und viele interessante Projekte sowie unorthodoxe Forschungsansätze. Mal abgesehen von der freien Zeit, könnten diese Zeiten für Mitarbeiter der Logistik bald wieder anbrechen. Alle zurück ins Seminar! Lernen in der Krise schafft Zukunftspotenzial.

Neue, schwierige Situationen befördern oft neues Denken in den Unternehmen, das meist von Fort- und Weiterbildungen mitgebracht wird. Anstatt die Füße auf dem heimischen Sofa hochzulegen, sollten die Mitarbeiter in Kurzarbeit aktiv die Chance nutzen, sich jetzt zu qualifizieren. Zum Vorteil des Unternehmens, aber auch aus ganz egoistischen Gründen, denn mit jeder Weiterbildung steigen die zukünftigen Karrierechancen – intern, aber auch extern.

Nach einer aktuellen LOGISTIK HEUTE-Umfrage mit 430 teilnehmenden Unternehmen aus den drei Logistik-Bereichen „Lager- und Fördertechnik“, „Informationstechnologie“ und „Dienstleistung“ sprechen sich 70 Prozent der Befragten für die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter in der Krise aus. Der US-amerikanische Staatsmann Benjamin Franklin wusste schon vor gut 250 Jahren: „Eine Investition in Wissen bringt noch immer die besten Zinsen.“


Fachkräfte ans Unternehmen binden
Karriere machen momentan vor allem die alten Hasen, die Erfahrenen, nicht mehr die jungen Wilden, frisch diplomiert und promoviert von den Universitäten, meint Dr. Wolfgang Backmerhoff. Was Unternehmen gegenwärtig am Arbeitsmarkt suchen, erklärt der Headhunter (S. 54). Die Aussichten, kurzfristig einen neuen Arbeitsplatz zu finden, sind jedoch vergleichsweise gering. Nur neun Prozent der befragten Unternehmen rechnen bis Jahresende mit einer verbesserten Beschäftigungslage. Trotz angespannter Geschäftslage wollen 49 Prozent weder Personal abbauen noch aufstocken. Mithilfe von Kurzarbeit und deren Ausweitung versuchen viele Unternehmen, ihre Fachkräfte zu binden und bis zum Ende des Jahres durchzuhalten. Die Angst vor einem möglichen Fachkräftemangel und fehlenden Kapazitäten im nachfolgenden Aufschwung ist bei den Personalchefs im Hinterkopf.

Ganz anders sieht das der Personalberater Axel Görs. „Derzeit ist oft fraglich, ob die Firmen ihre Strategie noch im Blick haben. Viele gehen bei den Entlassungen lediglich reaktiv vor, um möglichst schnell Personalkosten zu sparen“, stellt Görs in seinem Berufsalltag fest (S. 58). „Erst kürzlich kam ein Automobilzulieferer auf uns zu, kurz vor seiner vierten Private-Equity-Übernahme, und meinte, es müsse etwas für seine Logistiker und Produktioner getan werden. Sie liefen auf dem Zahnfleisch. Bevor also erneut weiterverkauft werden kann, soll die Braut nun aufgehübscht werden. Aber da wurde so drastisch Personal eingespart, da hilft keine Schminke mehr“, sagt Görs.

Abschminken kann sich die Wirtschaft nach Angaben der Logistikunternehmen eine schnelle Trendwende. Die Marktaussichten bleiben weiter trübe. 49 Prozent der Unternehmen rechnen für das zweite Halbjahr 2009 mit einer gleichbleibenden Auftragslage. Nur 14 Prozent gehen von einer Verbesserung am Markt aus.

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Von Sorgen um den Job und realen Ängsten über die persönliche Zukunft unter den Mitarbeitern berichten die zahlreichen Bildungsträger, die ihr Seminar- und Ausbildungsprogramm der Wirtschaftskrise nach eigenen Angaben schnell angepasst haben, zum Teil aber auch Teilnehmerrückgänge verzeichnen müssen (Seite 56). Beispiel Management Circle AG: Bei dem Seminaranbieter aus Eschborn im Taunus gehen viele Kunden weg von eher langfristigen, sehr kostenintensiven Projekten, hin zu Quick-Win-Projekten, die in Seminarprogrammen vermittelt werden.

Bei den Unternehmen gefragt sind vor allem Weiterbildungsangebote mit dem Themenschwerpunkt Mitarbeiterführung (36 Prozent), gefolgt von Verbesserungen der Sprachkenntnisse (16 Prozent) und Managementinhalten (13 Prozent) mit den Eckpunktthemen Bestandscontrolling und Kostenreduzierung (siehe Grafik li.).

Es überrascht zunächst, dass ausgerechnet ein Soft-Skill-Thema wie Mitarbeiterführung in der Prioritätenliste der Personaler ganz oben steht. Eine Erklärung dafür ist vergleichsweise einfach: Die gegenwärtige Situation ist allen Führungskräften, vor allem dem Logistiker, nahezu unbekannt. Keiner weiß, was morgen kommt. Viele wissen nicht, wie sie in der Krise richtig mit ihren Kollegen kommunizieren sollen, neue Teamstrukturen nach Kurzarbeit, Kündigungen und Abfindungen entwickeln oder ihre ihnen anvertrauten Mitarbeiter nachhaltig motivieren können. Dem Logistikentscheider im Unternehmen fehlt zumeist ausbildungsbedingt Personalführungskompetenz, Empathie sowie interkulturelles Verständnis, was auch die starke Nachfrage nach Erweiterung von Sprachkenntnissen erklären könnte.

Bisweilen sind die Studien- und Ausbildungsgänge der Logistik auf innerbetriebliche Szenarien ausgelegt, die gegenwärtige Situationen nicht kennen. Feste, berechenbare Strukturen und Rahmen prägten bis vor einem Jahr das Umfeld der Logistiker im Unternehmen. Dieser Rahmen gerät zusehends ins Wanken und stellt den Logistikleiter vor neue, ihm unbekannte Aufgaben, die aber auch Chancen bieten und die Rolle der Logistik hinterfragen. Weiterbildung tut also not.

Not herrscht aber vor allem in den Kassen vieler Unternehmen. Deshalb will die große Mehrheit der Befragten nicht viel Geld für die Fortbildung ihrer Mitarbeiter ausgeben. Intern vor extern ist die gegenwärtige Devise in den Personalabteilungen (s. Grafik oben). Reise- und Verpflegungskosten werden in schwierigen Zeiten gerne eingespart. 67 Prozent der Befragten wollen deshalb intern schulen. Ein Angebot, auf das Bildungsanbieter reagieren müssen und einige bereits schnell reagiert haben.

Lernen in der Krise bietet neue Chancen und am Ende sollte keiner sagen: „Vieles hätte ich verstanden, wenn man es mir erklärt hätte.“ Wer in zwei Jahren mit dem polnischen Lyriker Stanisław Jerzy Lec argumentiert, hat seine Aussichten auf Karrieresprünge womöglich vertan. we

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