Verpackungsprozesse digitalisieren: Wachstum des Onlinehandels und steigende Logistik-Komplexität: Verpackung und Versand: Passt so!

Das Fraunhofer IML entwickelt gemeinsam mit Hüdig + Rocholz einen intelligenten Packarbeitsplatz. Welche Aspekte wichtig sind, damit die Vision Realität wird.

Mit der Anwendung "passt" soll es leichter werden, Versandpakete schnell und ohne unnötige Luft zu packen. Bild: Fraunhofer IML
Mit der Anwendung "passt" soll es leichter werden, Versandpakete schnell und ohne unnötige Luft zu packen. Bild: Fraunhofer IML
Sandra Lehmann
Forschung

Die steigende Komplexität in der Logistik sowie das Wachstum des Onlinehandels stellen immer höhere Anforderungen an den Prozess der Verpackung. Eine besondere Herausforderung ist dabei der Bruch der Interaktion entlang des Verpackungsvorgangs. Die Verpackung von Produkten oder Lieferaufträgen wird gelegentlich bereits softwaregestützt geplant. Der tatsächliche Verpackungsvorgang wird jedoch fast immer manuell anhand von statischen Verpackungsanweisungen durchgeführt. Technologien wie Tablets an Verpackungsstationen digitalisieren die Übermittlung der statischen Verpackungsanweisungen, bieten jedoch keine interaktive Unterstützung beim Verpackungsprozess.

Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML haben deshalb zwei Technologien entwickelt, die entlang des Verpackungsprozesses interaktiv unterstützen können: eine intelligente Software zur Paketauswahl und Berechnung von Verpackungsanweisungen und einen Assistenten, der dem Logistikmitarbeiter Verpackungsanweisungen intuitiv und interaktiv zur Verfügung stellt.

Interaktiver Arbeitsplatz

In dem gemeinsamen Transferprojekt (siehe Kasten) „iPackAssist“ des Fraunhofer IML mit der Hüdig + Rocholz GmbH & Co. KG aus Velbert, die sich auf die Entwicklung von Verpackungsarbeitsplätzen spezialisiert hat, sollen diese technologischen Lösungen dabei helfen, den interaktiven Verpackungsarbeitsplatz der Zukunft zu entwickeln. Fast immer bleibt es dem Mitarbeiter im Verpackungsprozess überlassen, welche der verfügbaren Versandkartonformate für eine Sendung gewählt werden und wie die konkrete Aufteilung der Artikelpositionen auf die gewählten Kartonagen erfolgt.

Im Rahmen des Transferprojekts soll der Verpackungsprozess hierbei durch Software unterstützt werden: Die „PUZZLE SHIP-IT“-Software des Fraunhofer IML präsentiert sinnvolle Packvorschläge. Dazu ermittelt die Anwendung anhand der Abmessungen, Gewichte und Stückzahlen die nötigen Versandkartons automatisch und kann dabei auch praxisrelevante Optimierungsziele verfolgen. Denn das Ergebnis einer rein mathematischen Volumenoptimierung ist nicht immer gewünscht oder sinnvoll. So würde eine bloß volumenbasierte Optimierung in manchen Fällen zur Aufspaltung identischer Artikel auf zwei Kartonagen führen, was sich durch eine Konfiguration der Optimierungssoftware verhindern lässt.

Um die optimierten Verpackungsanweisungen effizient in den Prozess integrieren zu können, wird ein System benötigt, das sowohl die Kartonagenauswahl als auch die Anordnung der Artikel intuitiv und interaktiv bereitstellt. Diese Aufgabe übernimmt in dem Transferprojekt der Verpackungsassistent „PAsst“. Bei dem System, das am Fraunhofer IML entwickelt wurde, handelt es sich um eine Mensch-Maschinen-Schnittstelle, die Verpackungsanweisungen visualisiert und den Mitarbeiter durch den Verpackungsprozess führt.

„PAsst“ verwendet ein zum Patent angemeldetes Verfahren, um mithilfe von zwei bis drei illuminierten Achsen – wie in einem Koordinatensystem – die Anordnung und Positionierung einer zu platzierenden Auftragszeile anzuzeigen. Mithilfe verschiedener Farben stellt das System darüber hinaus weitere Zusatzinformationen wie maximale Belastung oder Gruppenzugehörigkeit einer Auftragsposition dar. In der angestrebten Umsetzung können im ersten Schritt Verpackungsaufträge mit PUZZLE SHIP-IT optimiert werden. Im zweiten Schritt übermittelt der Assistent diese Daten an einen Verpackungsarbeitsplatz und unterstützt den Mitarbeiter beim Verpackungsvorgang.

Für eine Umsetzung des interaktiven Verpackungsarbeitsplatzes sind dabei vor allem die Aspekte des Datenaustauschs und der Prozesssteuerung relevant:

Wie kommen die Auftrags- und Stammdaten zur Software und wie die Ergebnisse der Optimierung zum Verpackungsarbeitsplatz?

Wie erfolgt die Weitergabe dieser Daten an ein digitales Assistenzsystem wie zum Beispiel „PAsst“?

Wie kann die Integration in eine bestehende Logistik-IT-Landschaft erfolgen?

Wie kann die Ergonomie (physikalisch und kognitiv) einer solchen Lösung gewährleistet werden?

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Digitale Unterstützung

Mit diesen Aspekten und Fragen setzen sich das Fraunhofer IML und Hüdig + Rocholz im Rahmen dieses Transferprojekts auseinander, mit dem Ziel, den innovativen Verpackungsarbeitsplatz Realität werden zu lassen.

Die Idee, durch digitale Assistenzsysteme die Mitarbeiter im Prozess gezielt zu unterstützen, steht gerade erst am Anfang. Durch den Einsatz maschinellen Lernens und die Weiterentwicklung von Mensch-Technik-Schnittstellen können neue Möglichkeiten der flexiblen Mitarbeiterunterstützung geschaffen werden. Dies wird in Zukunft dabei helfen, dem Mitarbeiter individuell abgestimmte Informationen bereitzustellen und ihn so zu unterstützen, wie er es benötigt. Die gemeinsame Lösung des beschriebenen Verpackungsarbeitsplatzes kann hierbei beispielsweise eine Basis für weitere Entwicklungen im Bereich der interaktiven Logistikarbeitsplätze sein.

Ideen werden zu Innovationen, wenn sie ihren Weg in die Praxis finden. Transferprojekte ermöglichen Unternehmen, vor allem KMUs, mit Innovationsbedarf eine Kooperation mit dem IML, um dort entwickelte Technologien in ihr Angebotsspektrum zu integrieren. Darüber hinaus können Transferprojekte ein Werkzeug sein, Unternehmen fit für eine zunehmend digitalisierte Welt zu machen und durch innovative Konzepte, Dienstleistungen und Produkte ihr Angebotsspektrum zu erweitern. Außerdem wird durch Transferprojekte eine Möglichkeit geschaffen, Lösungen aus der Forschung in die industrielle Praxis zu überführen und ihre Anwendbarkeit zu validieren. Informationen zum Transferprojekt gibt es auf der FachPack 2019, Halle 4, Stand 134 und 541.sln

Autoren: Benedikt Mättig, Innovationsscout und Experte im Bereich der industriellen Mensch-Technik-Interaktion,Christian Olmsund Georg Wichmann, beide wissenschaftliche Mitarbeiter in der Abteilung Software & Information Engineering, alle am Fraunhofer IML, Dortmund.

Aus Forschung wird industrielle Realität

Eine große Herausforderung in Sachen Digitalisierung ist der Schritt aus der Forschung in die industrielle Realität. Insbesondere für KMUs bedeutet die Integration einer neuen und noch nicht ausgereiften Technologie ein enormes Risiko.

Um dieses Risiko zu minimieren und leichter neue Lösungen aus der Forschung in die Praxis zu übertragen, führt das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML gemeinsam mit Unternehmen Transferprojekte durch. Dies geschieht innerhalb des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Innovationslabors für hybride Dienstleistungen in der Logistik, das sich intensiv mit der Rolle des Menschen in der Logistik der Zukunft beschäftigt.

Die durchgeführten Transferprojekte geben Unternehmen die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Fraunhofer IML neue, digitale Lösungen zu entwickeln, um diese entweder im eigenen Unternehmen einzusetzen oder als Marktdienstleistung anzubieten. Die entwickelten Lösungen basieren hierbei auf Entwicklungen, die aus der Forschung stammen und durch das Fraunhofer IML in das Projekt eingebracht werden. In einem gemeinsamen Entwicklungsprozess soll so aus einer Forschungsidee eine praxistaugliche Innovation entstehen.

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Seite 60 bis 61 | Rubrik EXTRA