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Wasserstoff: Kleines Molekül mit großem Potenzial für die Logistik

Politik und Unternehmen legen aktuell die Grundlagen für eine breite Nutzung von Wasserstoff, den viele als unverzichtbaren Baustein zur Dekarbonisierung sehen. Gerade für Logistikunternehmen bietet er interessante Chancen.

Wasserstoff wird zunehmend auch in Brennstoffzellantrieben in der Transportlogistik eingesetzt. (Symbolbild: Malp / AdobeStock)
Wasserstoff wird zunehmend auch in Brennstoffzellantrieben in der Transportlogistik eingesetzt. (Symbolbild: Malp / AdobeStock)
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Therese Meitinger
Autor(en) dieses Beitrags

Jessica Otto, Projektingenieurin Klimaschutz- und Energiemanagement bei BFE Institut für Energie und Umwelt GmbH

Expertenbeitrag

Zwei Dinge machen Wasserstoff interessant: sein hoher Energiegehalt, der dreimal so hoch ist wie der von Erdgas, und die strahlungsarme Verbrennung zu Wasserdampf. Dabei entstehen vergleichbare Temperaturen wie bei der Verbrennung von Erdgas. Weniger vorteilhaft ist sein extrem geringes molekulares Gewicht. Dadurch ist Wasserstoff sehr diffusionsfreudig, was beim Transport und noch mehr bei der Speicherung Herausforderungen mit sich bringt. Zu berücksichtigen sind auch seine niedrige Zündgrenze und hohe Verbrennungsgeschwindigkeit (Knallgasreaktion). Mit entsprechenden Werkstoffen und Anlagen stellt dies heute jedoch kein Problem mehr dar – vorausgesetzt, dass diese kompetent ausgewählt und geplant werden.   

Sekt oder Selters?

Wenn es darum geht, das Potenzial von Wasserstoff einzuschätzen, reichen die Meinungen der Fachleute noch weit auseinander. Das hat unter anderem mit der Frage „Sekt oder Selters?“ zu tun: Sekt (beziehungsweise Champagner in der aktuellen Wasserstoff-Debatte) steht für grünen Wasserstoff, der ausschließlich mit erneuerbaren Energien erzeugt wurde. Weil dieser nur in begrenzten Mengen zur Verfügung stehen wird, bleibt er einem sehr fokussierten Einsatzbereich vorbehalten. Das sind vor allem Anwendungen in der Industrie, die sich nicht mittels Elektrifizierung klimaneutral(er) gestaltet lassen. Mit Selters (beziehungsweise Tafelwasser) ist blauer oder türkisfarbener Wasserstoff gemeint, der auch aus Erdgas erzeugt wird. Davon werden größere Mengen verfügbar sein, sodass sich mit ihm auch eine höhere Nachfrage decken lässt, zum Beispiel für Pkw und Gebäudeheizungen. Weil die Marktsituation also eng mit der Erzeugungsart des Wasserstoffs zusammenhängt, hier ein kurzer Überblick.    

Wasserstofferzeugung und Farbenlehre

In der Natur kommt Wasserstoff ausschließlich in gebundener Form vor, etwa in fossilen Rohstoffen und Wasser (H2O). Um diesen abzuspalten und reinen Wasserstoff zu gewinnen, gibt es mehrere bewährte Verfahren:

Bei der Elektrolyse wird Wasser mittels elektrischer Energie in H2 und O aufgespalten. Stammt der Strom aus Erneuerbare-Energien- (EE) Anlagen, erhält man den aus Klimaschutzperspektive wertvollsten – da CO2-neutralen oder CO2-armen – Wasserstoff. Er wird deshalb als „grün“ bezeichnet. Die Wasserelektrolyse eignet sich deshalb ideal als Stromspeicher für den Stromüberschuss aus Wind- und PV-Anlagen. Handelt es sich dagegen um nuklearen Strom, spricht man von gelbem oder rotem Wasserstoff.

Mit der Dampfreformierung lässt sich Wasserstoff aus Erdgas gewinnen. Dabei wird das Erdgas mit Wasserdampf angereichert und erhitzt, es entstehen Wasserstoff und CO2. Wird das Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre emittiert, entsteht grauer Wasserstoff. Wird es hingegen mittels Carbon Capture and Storage (CCS) gebunden, wird der Wasserstoff als blau bezeichnet.

Alternativ lässt sich Wasserstoff aus Erdgas oder Biomethan auch mittels Pyrolyse gewinnen. Dabei entsteht als Nebenprodukt fester Kohlenstoff. Der so gewonnene Wasserstoff wird als türkis bezeichnet.

Dabei ist zu beachten, dass die Verfahren zur Wasserstoffproduktion derzeit noch deutlich verbessert werden. Vor allem bei der SOEC-Elektrolyse (Solid Oxide Electrolyzer Cell) zur Produktion von grünem Wasserstoff ist ein großer Sprung zu erwarten, der die Kosten in den kommenden drei bis fünf Jahren auf ein Zehntel des heutigen Niveaus sinken lässt.

Die im Wasserstoff gespeicherte elektrische Energie wird nutzbar, indem der Wasserstoff in einer Brennstoffzelle mit Luft oder reinem O2 wieder in Strom umgewandelt wird. Je nach Art der Brennstoffzelle entstehen dabei Temperaturen von 20 bis 90 °C (Alkalische Brennstoffzelle), 60 bis 120 °C (Protonenaustauschmembran-Brennstoffzelle) beziehungsweise 800 bis 1.000 °C (Festoxid-Brennstoffzelle). Diese Abwärme lässt sich im Unternehmen oder Gebäude weiter nutzen.

Potenzial – die Nationale Wasserstoffstrategie

Für viele Industrieunternehmen ist die Nutzung von Wasserstoff nichts Neues. Neu ist jedoch der Einsatzbereich: Jetzt geht es darum, Prozesse, die sich nicht oder nur schwer elektrifizieren lassen, CO2-neutral bzw. CO2-arm zu gestalten. Deshalb liegt der Fokus auf grünem Wasserstoff.

Für diesen sieht die Bundesregierung ein großes Potenzial. Deshalb fördert sie mit der Nationalen Wasserstoffstrategie grünen Wasserstoff als Ersatz für Erdgas, Öl und Kohle. Als die Nationale Wasserstoffstrategie 2020 startete, erwartete die Regierung einen Bedarf von 90 bis 110 Terawattstunden im Jahr 2030. Damit Deutschland diesen zumindest teilweise selbst decken kann, gab sie das Ziel von Erzeugungsanlagen mit fünf Gigawatt Gesamtleistung bis 2030 aus. Inzwischen hat sie die Bedarfsprognose bereits erhöht und strebt eine heimische Elektrolyseleistung von zehn Gigawatt bis 2030 an. Mit sieben Milliarden Euro an Fördermitteln unterstützt sie den Aufbau sowohl der Anlagen als auch einer Infrastruktur und die Nutzung von grünem Wasserstoff. Ein Programm in diesem Rahmen ist etwa die „Dekarbonisierung der Industrie“, das Investitionen in Wasserstofftechnologien in der energieintensiven Industrie fördert.

Neben der Industrie spielt der Mobilitätssektor bei der Abnahme von künftigen Bedarfen ebenfalls eine Rolle: Ungefähr 18 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland waren Stand 2020 auf ihn zurückzuführen. Wasserstoff bietet hier eine Alternative zur batteriebetriebenen Elektromobilität.

Um den zügigen Hochlauf des Wasserstoffmarktes voranzutreiben, hat das Bundeskabinett im Mai 2023 mit einer Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) Regelungen für den rechtlichen und regulatorischen Rahmen eines Wasserstoff-Kernnetzes beschlossen. Es soll in der ersten Stufe bis 2032 in Betrieb gehen.

Gleichzeitig laufen bereits Projekte, um zu ermitteln, inwieweit sich das bestehende Gasnetz auch für die Verteilung von Wasserstoff eignet, zum Beispiel das Projekt „H2-Mix“ in Erftstadt. In einem sechsmonatigen Testlauf hat sich hier gezeigt, dass eine Wasserstoffbeimischung von 20 Volumenprozent problemlos möglich ist.

Bedarfsprognosen gehen noch weit auseinander

Für eine detailliertere Prognose zum künftigen Wasserstoff-Bedarf hat der Nationale Wasserstoffrat die Fraunhofer-Institute ISI, ISE und IEG mit einer Metastudie beauftragt. Das Ergebnis: Die Einschätzungen sind weit gefächert, sie reichen für das Jahr 20230 von Null bis 47 Terawattstunden. Ursache hierfür ist, dass der Wasserstoffbedarf von zahlreichen Faktoren abhängt, etwa von den Treibhausgaszielen der Regierung sowie den Szenarien für die Direktelektrifizierung, für die Biomassenutzung und für CCS beziehungsweise CCU (Carbon Capture and Utilization). Für den Industriesektor ermittelte die Metastudie auf jeden Fall einen hohen Bedarf, lediglich über den Zeitpunkt besteht Uneinigkeit.

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Großes Potenzial in der Logistik

Gerade für Logistikdienstleister und Unternehmen mit eigener Distribution kann es sich bereits heute lohnen, in die Produktion und/oder Nutzung von Wasserstoff einzusteigen. Denn bei ihnen kommen zwei Dinge zusammen:

Erstens haben sie durch große Lagerhallen, Distributionszentren bzw. Fuhrparks in der Regel große Flächen, die meist gut für Photovoltaik-Anlagen nutzbar sind. Aus dem damit gewonnenen Strom können sie den besonders wertvollen grünen Wasserstoff erzeugen.

Zweitens ist davon auszugehen, dass gerade Nutzfahrzeuge sowie Busse zunehmend mit Wasserstoff unterwegs sein werden. Logistikunternehmen können also den CO2-neutralen „Kraftstoff“ für ihre Flotte selbst produzieren.

Ein Umstieg auf emissionsfreie Antriebe ist mittel- und langfristig unumgänglich, um die strengeren Emissionsnormen innerhalb der EU zu erfüllen. Zudem werden die Gesamtbetriebskosten bei batterieelektrischen und brennstoffzellenbetriebenen Nutzfahrzeugen bereits ab 2030 günstiger sein als bei konventionellen, so McKinsey in der Studie „Preparing the world for zero-emission trucks“. Bis 2040 soll der Anteil an batterieelektrischen Nutzfahrzeugen und solchen mit Brennstoffzelle demnach auf über 85 Prozent der Neuzulassungen ansteigen. Für die Logistik sind Brennstoffzellenfahrzeuge durch ihre kurze Betankungszeit, eine uneingeschränkte Nutzlast sowie hohe Reichweiten besonders attraktiv.

Die wichtigsten Komponenten eines Brennstoffzell-Fahrzeugs sind der Elektromotor, der Wasserstofftank und das Brennstoffzell-Antriebssystem, aus dem die elektrische Energie gewonnen wird. Gegenüber Verbrennungsmotoren (die theoretisch auch mit Wasserstoff betrieben werden können, zum Beispiel mit einem Wankelmotor) haben solche Lösungen einen bis zu zweifach höheren Gesamtwirkungsgrad. Auch wenn man die Energiebilanz von der Energiebereitstellung bis zum Fahrzeugwirkungsgrad betrachtet (Well-to-Wheel), schneiden sie energetisch besser ab.

Mit der flächendeckenden Markteinführung von Brennstoffzellenfahrzeugen in den kommenden Jahren erwartet H2 Mobility, Anbieter von Wasserstofftankstellen, dass der Schwerlastverkehr im Jahr 2030 etwa 80 Prozent des nationalen Wasserstoffbedarfs ausmachen wird.

Beschleunigung für eine Wasserstoff-Flotte in Europa

Unter dem Namen H2 Accelerate arbeiten die OEMs Daimler, Volvo Group und Iveco Group mit den Wasserstofflieferanten Shell, Linde und TotalEnergies zusammen, um die Nutzung von Wasserstoff und damit die Dekarbonisierung des Langstrecken-Schwerlastverkehrs in Europa zu fördern.

Derzeit läuft die erste Phase des Projektes. Sie hat das Ziel, die technische und kommerzielle Machbarkeit des Wasserstofftransports im Fernverkehr durch die Errichtung von 29 Wasserstofftankstellen und den Einsatz von 150 Brennstoffzellen-Lkw zu demonstrieren.

Die Tankstellen entstehen entlang der wichtigsten TEN-T-Korridore, sodass sie in der Nähe der Autobahnen einfach zugänglich sind. Um sie mit grünem Wasserstoff zu versorgen, betreibt Shell bereits einen 10-MW-Elektrolyseur in Deutschland, ein zusätzlicher 200-MW-Elektrolyseur soll in den Niederlanden entstehen.

So möchten die Projektbeteiligten Erfahrungen und Daten zur betrieblichen und finanziellen Leistung der Fahrzeuge und der Infrastruktur sammeln und die Industrialisierung des Sektors beschleunigen. Durch die synchrone Einführung der schweren Nutzfahrzeuge und der Betankungsinfrastruktur soll die Debatte, welche Seite den ersten Schritt machen sollte – wie es sie in der batterieelektrischen Mobilität gibt – gar nicht erst aufkommen.

Wasserstoff-Strategie im Unternehmen

Um nun zu beurteilen, was für das eigene Unternehmen technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, ist es entscheidend, die individuelle Gesamtsituation zu betrachten. Hierfür hat das BFE Institut für Energie und Umwelt sechs Bereiche definiert:

  • Dimensionierung: Die Verfahren zur Wasserstoffproduktion und -nutzung sind auszuwählen und zu dimensionieren. Für die Erzeugung stehen unter anderem die Elektrolyse und Pyrolyse sowie biologische Verfahren zur Wahl, für die Nutzung sind zum Beispiel H2-ready Kessel und Blockheizkraftwerke (BHKW) oder in der Logistik vor allem Brennstoffzellen nötig.
  • Wasserstoffentstehungskosten: Ermittlung der LCOH (Levelized Cost Of Hydrogen) und des Break-even im Vergleich mit anderen Technologien. Dabei wird der Einsatz zum Beispiel eines Gaskessels dem von Brennstoffzellen gegenübergestellt.
  • H2-Verträglichkeit: Eignet die bestehende Infrastruktur grundsätzlich auch für Wasserstoff oder lässt sie sich sinnvoll H2-ready umrüsten?
  • Vermarktung und Beschaffung: Welche Abnehmerstruktur und Vermarktungsoptionen hat das Unternehmen für selbst produzierten Wasserstoff? Welche Möglichkeiten gibt es für die Beschaffung von extern hergestelltem grünem Wasserstoff?
  • Wirtschaftlichkeit: Eine Sensitivitätsanalyse mit verschiedenen Speicher-, Last- und Preisszenarien erlaubt eine Einschätzung der Wirtschaftlichkeit der Wasserproduktion und/oder -nutzung. Zusätzlich empfiehlt sich eine Vollkostenbestimmung. Beim Vergleich mit fossilen Technologien ist unbedingt auch der sich dynamisch entwickelnde CO2-Preis zu berücksichtigen.
  • Synergieeffekte: Lassen sich Synergieeffekte mit weiteren Stakeholdern nutzen? Können Nebenprodukte wie Abwärme oder hochreiner Sauerstoff selbst genutzt oder vermarktet werden?

Fazit

Wasserstoff ist kein Allheilmittel zur Dekarbonisierung, doch gerade für Logistikunternehmen bietet er die Chance, CO2-Emissionen erheblich zu reduzieren und sich mittel- und langfristig kosteneffizienter aufzustellen. Dabei können sie derzeit auch von Fördermitteln profitieren. Ob und in welcher Form die Nutzung und/oder Erzeugung von Wasserstoff für ein Unternehmen tatsächlich möglich und sinnvoll ist, hängt jedoch von zahlreichen Faktoren ab, die es für eine erfolgreiche Umsetzung unbedingt im Gesamtbild zu bewerten gilt.

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