Expertenbeiträge online
Auf logistik-heute.de veröffentlichen Experten aus dem Wirtschaftskreis LOGISTIK Fachbeiträge zu relevanten Logistikthemen.
Christian Schneider, Geschäftsführer der Berliner ViGo Bioenergy und Initiator der Studie.
Der Klimawandel hält Deutschland in Atem. Ganz gleich, ob es hierzulande um die Proteste der Landwirte aufgrund des Wegfalls der Subventionen auf Agrardiesel geht, oder es sich global um die Verhinderung von Extremwetterereignissen handelt. Klar ist, dass all diese Faktoren tiefgreifende Maßnahmen in allen Lebensbereichen erfordern. Neben dem Stromsektor und dem Wärmemarkt ist insbesondere der Verkehrssektor betroffen.
Während die Emissionen von Partikeln, Stickoxiden und Schwefeldioxid durch den Einsatz moderner Abgasreinigungssysteme im Vergleich zum Jahr 1995 stark gesunken sind, sind währenddessen die CO2-Emmissionen im Verkehrssektor nur um zehn Prozent zurückgegangen. Und das, obwohl der Verkehrssektor für circa ein Fünftel aller CO2-Emissionen verantwortlich ist. Davon etwa die Hälfte ist dem Straßengüterverkehr zuzurechnen. Es ist also allerhöchste Eisenbahn, die Transformation von fossilen Treibstoffen hin zu erneuerbaren Treibstoffen und alternativen Antriebstechnologien zügig voranzutreiben.
Forciert wird dies auch durch die Ziele des Umweltbundesamts, die bis 2030 im Verkehrssektor eine Einsparung von 49 Prozent der CO2-Emissionen gegenüber 1990 vorsehen. Dort plant man ein Maßnahmenbündel bestehend aus Förderung, Verkehrsverlagerung auf die Schiene und Anreizen in Verbindung mit einer Bepreisung von CO2.
Verbände machen sich stark
Mittlerweile haben bereits diverse Verbände ihren Hut in den Ring geworfen und zum Protest gegen signifikante Erhöhungen der Autobahn- und Landstraßenmaut sowie der CO2-Steuer auf Dieselkraftstoff aufgerufen. Die preissensitive Transport- und Logistikbranche hatte bereits vorher mit vielfältigen Herausforderungen, wie volatilen Treibstoffpreisen, dem Mangel an Fahrpersonal und einem harten Wettbewerb auf europäischer Ebene zu kämpfen. Jetzt aber stehen die Geschäftsleitungen der Transportbranche mit dem Rücken zur Wand und müssen entscheiden, welche Fahrzeuge mit welcher Antriebstechnologie sie bei der nächsten Flotteninvestition anschaffen sollen. Keine leichte Entscheidung.
Zur Verfügung stehende Treibstoffe
Dabei gilt es zu berücksichtigen, welche Optionen überhaupt beim Erwerb der Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Das ist zum einen der Diesel, der sich über Jahrzehnte bewährt hat und mittlerweile über einen hohen Wirkungsgrad verfügt. Die wesentlichen Alternativen stellen Gasmotoren dar, die mit Bio-LNG (aus Biomethan hergestelltes Flüssiggas) oder Bio-CNG (das gleiche Ausgangsprodukt, nur unter Hochdruck und gasförmig gespeichert) betrieben werden und ähnliche Leistungswerte aufzeigen, wie ihre Diesel-Konkurrenten.
Hinzukommen batterieelektrische Fahrzeuge. Diese sind heute mit Reichweiten von bis zu 500 Kilometer verfügbar und können so, zumindest auf der Kurzstrecke und im (innerstädtischen) Verteilverkehr, ihre Dieselpendants ersetzen. Voraussetzung ist allerdings ein stabiler Netzanschluss mit entsprechend verfügbaren Leistungsreserven. An vielen Orten ist dies jedoch noch eher Wunschdenken. Auch Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb über Brennstoffzellen gibt es bereits, allerdings nur in Kleinserien und von wenig namhaften Herstellern. Lkw, die Wasserstoff in Verbrennungsmotoren verbrennen, sind von großen OEM angekündigt worden. Man wird in diesem Jahrzehnt allerdings nicht mit nennenswerten Stückzahlen auf den Straßen rechnen können. Auch woher der notwendige, grün produzierte, Wasserstoff zu ökonomisch sinnvollen Rahmenbedingen kommen soll, ist noch völlig unklar.
Der Branche brennt der Schuh
Summa summarum lassen sich zwei Hauptprobleme identifizieren, mit denen sich Logistik- und Speditionsunternehmen auseinandersetzen müssen:
Ergo: Der einzige Antrieb, der bereits ökologisch/ökonomisch erprobt und einsetzbar ist, ist der mit Biomethan betriebene Motor. Das Biomethan kann entweder als auf unter den Siedepunkt (-163 °C) heruntergekühltes Bio-LNG oder hochkomprimiertes (200-300 bar) Bio-CNG genutzt werden.
Seit 2018 ist in Deutschland ein Markthochlauf Biomethan-betriebener Fahrzeuge zu beobachten. Dies ist im Wesentlichen auf einen ganzen Instrumentenkasten an Fördermitteln zurückzuführen. Im Speziellen ist hier die Befreiung dieser Fahrzeuge von der Autobahn- und Landstraßenmaut zu nennen, die ab dem Jahr 2018 bis zum 31. Dezember 2023 galt. Neben kleineren Programmen für die Anschaffungsförderung von Lkw und Tankstellenequipment hat insbesondere dieses Fördermittel dazu geführt, dass aktuell bereits circa 6.000 Nutzfahrzeuge mit Gasantrieb auf deutschen Straßen unterwegs sind.
Seit dem 1. Januar 2024 sind allerdings nur noch Fahrzeuge mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb von der Maut befreit. Gasfahrzeuge (Bio-LNG wie Bio-CNG) müssen dieselbe Maut entrichten wie Dieselfahrzeuge. Investitionsförderungen gab es zuletzt nur noch für Fahrzeuge mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb im Rahmen des KsNI-Programms. Das wurde jedoch im Rahmen des Haushaltslochs der Bundesregierung auf unbestimmte Zeit eingestellt.
CO2-Bepreisung steht
Es bleibt die durch die Bundesregierung eingeführte CO2-Bepreisung, nach der für alle Treibstoffe, die in ihrer Gesamtbilanz einen positiven CO2-Ausstoss haben, eine jährlich steigende Abgabe entrichtet werden muss. Biomethan (hergestellt zum Beispiel aus landwirtschaftlichen Reststoffen) ist daher nicht betroffen. Außerdem gilt die Besteuerung nicht für Elektro- und Wasserstoff-Lkw.
Zuletzt wurden viele Marktteilnehmer durch die komplizierten Subventionsaktivitäten erheblich verunsichert und das monatelange Ausbleiben einer regulatorischen Planungssicherheit hat dazu geführt, dass Investitionsentscheidungen in alternative Antriebsformen aufgeschoben wurden. Zum Teil wurden sogar (wieder) Diesel-Lkw gekauft. Es muss daher das Ziel der Branche sein, unabhängig von den regulatorischen Rahmenbedingungen und innerhalb des aktuell realisierbaren Lkw-Portfolios, eine „Vergrünung“ des Transportsektors herbeizuführen. Und zwar auf der Basis der Gegenüberstellung der Treibstoff- beziehungsweise Antriebsarten anhand der so genannten TCO-Betrachtung (total cost of ownership).
TCO-Vergleich verschiedener Fahrzeugtypen: Die Grafik zeigt, dass Bio-LNG und Bio-CNG kosteneffiziente Alternativen zu Diesel darstellen, insbesondere unter Berücksichtigung der CO2-Bepreisung, die ab 2024 für alle Treibstoffe mit positiver CO2-Bilanz gilt. (Datenquelle: Argus Limited, Deutscher Zoll, Deutsche Mautstelle)
Die Gesamtkostenrechnung der unterschiedlichen Antriebsarten inkludiert für einen Fernverkehrs-Lkw typische Parameter (fünf Jahre Laufzeit, 120.000 Kilometer pro Jahr Laufleistung, 26 Liter auf 100 Kilometer als Verbrauch) und zeigt, dass der mit Biomethan betriebene Lastwagen gegenüber Diesel-betriebenen Fahrzeugen kostenseitig einen leichten Vorteil hat. Noch im Jahr 2023 war es deutlich günstiger, mit Bio-LNG zu fahren. Der nur leichte Kostenanstieg 2024 gegenüber Diesel-Lkw ist dem Wegfall der Mautbefreiung zuzuschreiben. Jedoch werden die etwas höheren Investitionskosten für den Lkw durch die nicht zu entrichtende CO2-Abgabe von Biogas teilweise ausgeglichen. Außerdem sorgt der niedrigere Rohstoffpreis des Biomethans derzeit für Kostenvorteile gegenüber Diesel. Mit steigender CO2-Bepreisung wird sich dieses Bild in den nächsten Jahren weiter zugunsten von Biomethan als Kraftstoff auswirken. Batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge sind durch die Maut- und die CO2-Abgabenbefreiung derzeit etwa fünf Prozent günstiger als ein vergleichbares Dieselfahrzeug, trotz aktuell fehlender Anschaffungsförderung. Der Wasserstoffantrieb ist 59 Prozent teurer. Neben hohen Anschaffungskosten sind hier vor allem hohe Herstellungs- und Prozesskosten des Treibstoffs als eine erhebliche Hürde für ein solides Marktwachstum zu nennen.
Bedeutung von HVO100 steigt
Zusätzlich wird dieses Jahr HVO100 an Bedeutung gewinnen. Der unter anderem aus altem Speiseöl gewonnene Biokraftstoff hat dieselben Eigenschaften wie Diesel, ist jedoch nicht von der CO2 Abgabe betroffen. Die Emissionseinsparungen können bei bis zu 90 Prozent liegen. Der wesentliche Vorteil für Transport- und Logistikunternehmen ist hierbei, dass sie ihre Dieselfahrzeuge mit einem nachhaltigen Kraftstoff einsetzen können. Auch beim Tankstellennetz muss es nicht zwangsläufig eine Umstellung geben. Aufgrund der geringen Verfügbarkeit von altem Speiseöl ist die Preisentwicklung jedoch noch sehr unklar; bereits heute ist der Treibstoff fast zehn Prozent teurer als herkömmlicher Diesel. Zudem birgt dieser Kraftstoff die Gefahr, dass umweltschädliches Palmöl untergemischt wird.
THG-Emissionshandel erweitert den Blickwinkel
Zur reinen Kostenbetrachtung (TCO) kommt noch eine weitere Dimension dazu: die Treibhausgasemissionen und der damit verbundene THG-Emissionshandel. Durch Einsparungen gegenüber der Nutzung von fossilem Dieselkraftstoff lassen sich auf Ebene des Inverkehrbringers Treibhausgaszertifikate generieren, die im Rahmen eines europäischen Handelssystems an die Emissionsemittenten verkauft werden können. Aus der reinen Kostenbetrachtung des Fahrzeugs wird so eine zweidimensionale Betrachtungsweise.
Die Grafik zeigt einerseits die vorgestellte TCO-Betrachtung auf der X-Achse, die nochmals verdeutlicht, dass vor allem batterieelektrische Fahrzeuge kostenseitig einen Vorteil haben. Biogasbetriebene Fahrzeuge sind leicht benachteiligt und fossiles LNG ist durch die CO2-Abgabe teurer als die Vorgenannten, gefolgt von HVO100. Wasserstoffantriebe sind in der derzeitigen Marktsituation deutlich abgeschlagen. Auf der Y-Achse ist dem nun die kraftstoffspezifische CO2-Einsparung gegenübergestellt. Grundlage der Berechnung ist die derzeitige regulatorische Grundlage zur Ermittlung der CO2-Einsparung gegenüber dem Dieselreferenzwert von 94,1 gCO2/MJ, einschließlich einer regulatorisch verankerten Mehrfachanrechnung.
Vergleich verschiedener Kraftstoffe nach CO2-Einsparungen und TCO: Die Grafik verdeutlicht, dass batterieelektrische Fahrzeuge und Biomethan-betriebene Lkw hinsichtlich der CO2-Einsparung und TCO die vorteilhaftesten Alternativen sind.(Datenquelle: Argus Limited, Deutscher Zoll, Deutsche Mautstelle)
CO2-Zertifikate können Kostenvorteile liefern
Insbesondere Biomethan aus Wirtschaftsdünger und erneuerbarer Strom aus Wind- und Sonnenenergie erzielen hohe CO2-Einsparungen bei gleichzeitig geringen Kostennachteilen oder sogar Vorteilen auf TCO-Ebene gegenüber dem Dieselantrieb. Auch grüner Wasserstoff nimmt emissionsseitig eine Vorreiterrolle ein. Allerdings wiegen die Kostennachteile schwer.
Der Handel mit Treibhausgaszertifikaten eingesparter CO2-Emissionen ermöglicht es, dem Inverkehrbringer, die Kostendifferenz zum Diesel-Lkw auszugleichen. Je nach erzieltem Zertifikatspreis sind gar Kostenvorteile gegenüber dem Diesel möglich. So können für Speditions- und Logistikunternehmen wieder ausreichend Anreize geschaffen werden, sich nicht nur am Klimaschutz zu beteiligen, sondern auch kostenseitig mitzuhalten und sich auch langfristig gegen steigende CO2-Preise abzusichern. Bei potenziellen Flottenumstellungen sind daher Biomethan- und Elektroantriebe klar im Vorteil.
Potentialanalyse liefert individuell passende Lösung
Zur Umsetzung ist jedoch große Expertise in der Bereitstellung von Infrastruktur und Treibstoff notwendig. Da jedes Transportunternehmen spezifische Routen- und Fahrzeuganforderungen hat, ist es notwendig, eine detaillierte Analyse der möglichen Szenarien durchzuführen. Für eine zuverlässige und umweltfreundliche Versorgung der Fahrzeugflotte sollte gemeinsam mit dem Transportunternehmer im Rahmen einer Potentialanalyse, treibstoff- und antriebsartenneutral die beste Lösung gefunden werden. In einem ersten Schritt müssen die Experten zuerst Informationen zur Fuhrpark- und Routencharakteristik erheben, um anschließend Potentiale für einen kostengünstigen Betrieb zu identifizieren. In einem dritten Schritt sind mögliche Standorte für Lade- und Betankungsinfrastruktur zu finden und letztendlich die Preisgestaltung zu diskutieren. Am Ende soll der Unternehmer Gewissheit über den für ihn klimafreundlichsten und preiswertesten Alternativtreibstoff haben. Und das nach Möglichkeit ohne Abhängigkeit von regulatorischen Rahmen- und Förderbedingungen.
Zur Studie
Die Studie, initiiert und durchgeführt von der ViGo Bioenergy GmbH, zielt darauf ab, die Gesamtkostenrechnung verschiedener Antriebsarten im Lkw-Transport zu analysieren. Dabei wurden typische Parameter für Fernverkehrs-Lastwagen berücksichtigt, wie eine fünfjährige Laufzeit, eine jährliche Laufleistung von 120.000 Kilometern und ein Verbrauch je Antriebsart. Die Analyse umfasst sowohl ökonomische als auch ökologische Aspekte und vergleicht Diesel, Bio-LNG (Biomethan in flüssiger Form), Bio-CNG (Biomethan in komprimierter Form), batterieelektrische Fahrzeuge und Wasserstoffantriebe.
Die Studie beinhaltet eine detaillierte Betrachtung der Anschaffungskosten, Betriebskosten, Reichweiten und Emissionswerte der verschiedenen Antriebsarten. Besondere Aufmerksamkeit wird auf die Total Cost of Ownership (TCO) gelegt, um eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse zu gewährleisten. Zusätzlich werden die Auswirkungen der CO2-Bepreisung und der verschiedenen Förderprogramme auf die Wirtschaftlichkeit der Antriebsarten untersucht.
Die Studie wurde im Jahr 2023 abgeschlossen und berücksichtigt die bis dahin geltenden Fördermaßnahmen und regulatorischen Rahmenbedingungen. Ab dem 1. Januar 2024 sind die neuen Bestimmungen zur CO2-Bepreisung in Kraft getreten, die eine jährliche steigende Abgabe für alle Treibstoffe mit positiver CO2-Bilanz vorsehen. Diese neuen Regelungen und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Antriebsarten wurden ebenfalls in der Studie berücksichtigt.
Hinweis zur Studie: Die ViGo Bioenergy GmbH ist verantwortlich für die Gesamtkostenrechnung der verschiedenen Antriebsarten beim Lkw-Transport.
Über den Autor dieses Expertenbeitrags
Christian Schneider, Geschäftsführer und Mit-Gründer der ViGo Bioenergy GmbH: Geboren 1968, Diplom-Chemiker, MBA University of Chicago. 2010 Mit-Gründer und Vorstand der BTO Management Consulting. Zuvor 15 Jahre bei einer internationalen Top-Management-Beratung, die er maßgeblich mit aufgebaut und viele Jahre als Vorstandsmitglied geleitet hat. Karrierestart bei Roland Berger.
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