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Mobilmachung von Studenten gegen Studienreformen: „Es knirscht im Gebälk“

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Redaktion (allg.)

Studenten machen gegen die Studienreformen mobil. Wirtschaft, Wissenschaft und sogar Studierende begrüßen aber die Grundideen.
Sie sind gekommen, um zu bleiben: Im Gepäck haben sie Gulaschkanonen, Campingkocher und Schlafsäcke. Seit Herbst letzten Jahres belagern Studenten die Hörsäle der Universitäten. Mit Sofas und Pflanzen machen sie es sich gemütlich. „Bildung ist keine Ware, sondern ein Grundrecht“, prangt auf einem Plakat. Ihre Ziele: Abschaffung des Bachelor-/Master-Systems und das Ende der Ökonomisierung der Bildung.

Dabei akzeptieren in der Wirtschaft bereits vier von fünf Unternehmen Bachelor-Absolventen – Tendenz steigend. Das geht zumindest aus der „JobTrends-Studie 2009“ hervor, die der Staufenbiel-Verlag veröffentlicht hat und für die 349 Unternehmen mit zusammen mehr als sieben Mio. Mitarbeitern befragt wurden.

Demnach liegt das Universitätsdiplom mit 96 Prozent Zustimmung an der Spitze. Der Master-Abschluss folgt dicht darauf mit 92 Prozent. Mit 81 Prozent rangiert der Bachelor-Abschluss noch hinter dem Fachhochschul-Diplom (89 Prozent) auf Platz vier.

Einen schweren Stand hat der Abschluss bei den Studierenden. „Ich denke nicht, dass man als Bachelor in Deutschland gute Berufschancen hat. Deshalb strebe ich einen Masterabschluss an“, sagt Oana Grigorincu. Die Maschinenbau-Studentin lernt im dritten Semester an der TU München. Sie zählt zum ersten Bachelor-Jahrgang der Hochschule. „Ich bin froh, dass ich nach jedem Semester Prüfungen schrei­be und nicht wie beim Diplomstudium erst nach zwei Semestern“, erklärt sie.

Keine Zeit für Streik

Dennoch liegt Wehmut in ihrer Stimme. Den Abschluss als Diplom-Ingenieurin hätte Grigorincu gerne in der Tasche gehabt, weil er auf dem Arbeitsmarkt noch immer angesehen ist. Froh darüber, noch den Diplom-Abschluss gemacht zu haben, ist auch Susanne Rinneberg. Im Sommer 2009 schloss sie ihr Studium ab. Heute forscht die Diplom-Ingenieurin als Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik (FML) in Garching.

Wie viele wissenschaftliche Mitarbeiter träumt sie von einer Karriere in der Industrie. Meist werden in der Wirtschaft stark spezialisierte Hochschulabgänger gesucht. Gefragt sind Absolventen, die eine Werkstudenten-Tätigkeit oder ein Auslandspraktikum vorweisen können. Häufig ist Arbeitgebern auch ehrenamtliches Engagement wichtig.

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„Ich frage mich, wie das ein Bachelor-Student mit einem übervollen Stundenplan und nur zwei Vertiefungssemestern schaffen soll“, betont Rinneberg. Grigorincu, die sich neben ihrem Bachelor-Studium in der Fachschaft engagiert, setzt dem entgegen: „Man muss sich die Zeit eben gut einteilen, dann geht das.“

In einem Punkt sind sich die beiden Frauen einig: Grundsätzlich befürworten sie die Idee des Bachelor-/Master-Modells. Vorteile sehen sie in dem modularen Aufbau des Studiums und der internationalen Harmonisierung. In der Praxis befinde sich der Prozess aber noch in einer schmerzhaften Umstellungsphase. Deshalb bewerten sie auch die Studentenproteste als richtig und wichtig. „Wobei ich keine Zeit zum Mitstreiken gehabt hätte“, schränkt Rinneberg ein.

„Nicht in hundert Jahren“ würde Professorin Evi Hartmann vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre und Logistik an der Uni Erlangen-Nürnberg, streiken. Zwar kann sie die Kritik der Studierenden nachvollziehen. „Dennoch war die Reform notwendig. Wir brauchen stärker praxisorientierte Studiengänge und eine internationale Vergleichbarkeit“, erklärt sie. Es sei jedoch klar, dass es bei dieser Tour de Force im Gebälk knirscht, so Hartmann. „Kein Lehrstuhl der Welt kann Diplom- und Bachelor-/Master-Studiengänge reibungsfrei parallel laufen lassen – ohne einen Cent mehr dafür ausgeben zu können“, mahnt die Professorin.

Für Hartmann ist der Bachelor ein Allrounder, der sich an jeder Stelle im Unternehmen zurechtfindet. Der Master ist der Spezialist, den ein Unternehmen entlang der Supply Chain einsetzen kann.

Hohe Abbrecherquote

Das trifft genau den Geschmack der Arbeitgeber: „Wir brauchen mehr Methoden- und Führungskompetenz in der Intralogistik und keine passiven Wissensträger“, fordert Jürgen Graf, Geschäftsführer Logistik bei der Adolf Würth GmbH & Co. KG, Künzelsau-Gaisbach, und Vorsitzender des Intralogistik-Netzwerks in Baden-Württemberg e.V. Würth ist Mitinitiator der „Bachelor Welcome"-Erklärung des Deutschen Stifterverbands und befürwortet die Umstellung auf die Bachelor-/Master-Studiengänge. Damit will das Unternehmen dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

Glück für die, die ihren Abschluss überhaupt schaffen, denn die Abbrecherquote im Bachelor-Studium ist hoch. Das geht aus einer Studie hervor, die der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA), seine Stiftung Impuls und die Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) vorgestellt hat. „Fast jeder Zweite erreicht den Abschluss im Maschinenbaustudium nicht. Das ist ein Armutszeugnis für unser Bildungssystem“, kommentiert VDMA-Präsident Dr. Manfred Wittenstein das Ergebnis. akw

 

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