Fließlagertechnik: Wissenschaftler entwickeln Planungstool für mehr Wachstum: Alles im Fluss

Redaktion (allg.)

Wissenschaftler haben ein Planungstool für Fließlagertechnik entwickelt. Damit lässt sich berechnen, welche Vorteile diese Lagerform
im ­Vergleich zu konventioneller Technik bietet.
Wachstum ist ein generelles Ziel aller Unternehmen. Damit ist in der Regel jedoch verbunden, dass Lagerkapazitäten nicht mehr ausreichen und erweitert werden müssen. Die vorhandene Gebäudestruktur ist nachträglich häufig nur mit hohem Aufwand revidierbar. Die tägliche Planungspraxis zeigt, dass das vorhandene Bauvolumen einer optimalen Nutzung zugeführt werden muss. Eine gute Alternative ist die Umstellung von konventioneller Regaltechnik hin zur kompakten Lagerung.
Charakteristisch für Fließlager ist die Kanalstruktur. Die geneigten Kanäle sind mit nicht angetriebenen Rollen ausgestattet. Das Fließen der Ladeeinheiten von der Aufgabe im Kanal bis zur Bereitstellung für die Entnahme aus demselben erfolgt durch Nutzung der Schwerkraft. Geschwindigkeitsregler steuern die Durchlaufgeschwindigkeit der Ladeeinheiten. Durch einen Separator am Ende des Kanals wird sichergestellt, dass auch mehrere aufgestaute Ladeeinheiten mit hohem Gewicht sanft vorrücken, nachdem eine Ladeeinheit entnommen wurde.
Fließlager zeichnen sich durch die Möglichkeit der Skalierbarkeit aus. Ein Anstieg der Anzahl der Ladeeinheiten mit identischen Merkmalssätzen kann durch eine Verlängerung der Kanäle realisiert werden. Kanaltiefen für bis zu 50 Paletten wurden in der Praxis bereits umgesetzt. Einer Zunahme der Merkmalssätze der Ladeeinheiten kann durch eine Erhöhung der Kanalanzahl entsprochen werden.
Für Fließlager werden weitgehend Standardkomponenten eingesetzt, so-dass eine einfache Ersatzteillogistik und Instandhaltung praktiziert werden können. Sofern für die genutzten Teile Qualitätskomponenten eingesetzt werden, ist von einer langen technischen Lebensdauer auszugehen. Auch hier gilt die Basiserfahrung der Logistik: Qualität hat ihren Preis. Diese Mehrinvestition zahlt sich jedoch für den Betreiber mittel- und langfristig aus.

Hochwertige Rollen
Der Konstruktion der eingesetzten Förderrollen kommt bei Fließlagern eine entscheidende Bedeutung zu. Sie müssen einen parallelen und ruhigen Lauf der Ladeeinheiten sicherstellen. Gleichzeitig ist eine geringe Neigung der Regalanlage nur zu erreichen, wenn besonders leicht laufende Rollen verwendet werden.
Das Thema Energieeffizienz spielt im Rahmen der innerbetrieblichen Logistik nicht mehr nur in gewissen Bereichen eine Rolle, sondern wird übergreifend betrachtet. Eine energieeffiziente Gestaltung eines Lagersystems bedeutet, schon bei der Planung eine Vielzahl von Merkmalen des späteren Betriebs zu berücksichtigen. Neben der Verwendung von bestimmten Materialien, Regaltypen und Bedientechniken spielt auch die Dimensionierung des Gesamtsystems eine entscheidende Rolle.
Vor diesem Hintergrund ist vor allem das Bauvolumen zu prüfen. Ausschlaggebender Punkt ist, dass der Energiebedarf insbesondere durch das Heizen oder Kühlen des Gebäudes geprägt ist. Fließlager führen zu einem hohen Raumnutzungsgrad und senken den Energiebedarf für das Heizen beziehungsweise Kühlen und die Beleuchtung. Zudem sinken die Investitionen für das Gebäude und die Gebäudeausstattung. Verbunden mit kürzeren Fahrwegen innerhalb des Lagersystems sind neben einem geringeren Energiebedarf auch Einsparungen bei den Personalkosten möglich.
Als Bedientechnik für Fließlager stehen alle Varianten personenbedienter Flurförderzeuge zur Auswahl. Sie können gleichermaßen die Bedienung des Fließlagers und den innerbetrieblichen Transport ausführen. Eine zeitaufwendige Schnittstelle zwischen Lagerbedienung und innerbetrieblichem Transport kann entfallen.
Eine Steigerung der Durchsatzleistung ist durch die Erhöhung der vor- und nachgeschalteten Bedientechnik zu realisieren. Fallweise wird entweder die Anzahl der im Zusammenspiel agierenden personenbedienten oder automatischen Flurförderzeuge erhöht oder es werden mehrere Fahrabschnitte mit zugeordneten automatisierten Einheiten, wie beispielsweise Regalbediengeräte, gestaltet. Um wirtschaftliche Einsatzbereiche für Fließlager aufzuzeigen, wurden im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Leibniz Universität Hannover relevante Einflussfaktoren zusammengetragen und das Fließlager mit dem konventionellen Einzelplatzregal verglichen.

Ziel war es, in Abhängigkeit der Regaltechnik die optimale Lagerkubatur, das heißt die optimalen Längen-, Breiten- und Höhenmaße des Lagerkerns, zu finden. Als Verfahren wurde die vollständige Enumeration eingesetzt. Hierbei werden alle machbaren Lösungen berechnet und die optimale Lösung ausgewählt.
Es wurden Optimierungsziele verfolgt, die für die Planung eines Lagers von Bedeutung sind. Neben minimalen Kosten während des Betriebes wurden auch Kubaturen mit einem minimalen Flächen- beziehungsweise Investitionsbedarf ermittelt. Sowohl die notwendige Lagerkapazität als auch die stündlichen Lagerbewegungen dienten als Vorgabegrößen der Vergleichsrechnungen.
Weitere Einflussfaktoren sind unter anderem die einzusetzende Lagerbedientechnik, die Temperatur, die Maße und das Gewicht der einzulagernden Ladeeinheiten, die betrieblichen Arbeitszeiten, die Personal- und Energiekosten sowie die Preise für das Baugrundstück. Mithilfe eines Modells wurden eine Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten aus Vorgabegrößen und Einflussfaktoren durchgerechnet und auf diese Weise Kennzahlen entwickelt. Sie bieten Entscheidern den Vorteil, dass nicht nur eine Betriebssituation dargestellt wird, sondern Trends deutlich werden. Auf diese Weise können Entwicklungen, etwa ansteigende Lagerbewegungen, bei der Entscheidung Berücksichtigung finden. Trotz höherer Investitionen für ein Fließlager weist das bei der Betrachtung der Gesamtkosten im Vergleich zum Einzelplatzregal wirtschaftliche Vorteile auf.

Autoren:
Prof. Dr. habil. Lothar Schulze, Leiter des Fachgebietes Planung und Steuerung von Lager- und Transportsystemen der Leibniz Universität Hannover. Dr. Li Li, PhD, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Planung und Steuerung von Lager- und Transportsystemen und Daniel Knopp, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Planung und Steuerung von Lager- und Transportsystemen.

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